Grüner Wasserstoff als Langfristziel

Wasserstoff: Abb. 3 H2-Quellen nach Staaten und Zeithorizonten

Abb. 3 H2-Quellen nach Staaten und Zeithorizonten (Bildquelle: Weltenergierat - Deutschland e.V.)

Wasserstoff: Abb. 4 Zielsektoren für die H2-Nutzung

Abb. 4 Zielsektoren für die H2-Nutzung (Bildquelle: Weltenergierat - Deutschland e.V.)

Bei der Frage, wie der Wasserstoff künftig produziert werden sollte, gehen die Strategien teilweise unterschiedliche Wege. In Europa wird zur Erreichung der Klimaziele vor allem längerfristig ein starker Fokus auf grünen Wasserstoff gelegt wird, der mithilfe von erneuerbarem Strom hergestellt wird. Mittelfristig (bis 2030) wird in den meisten Staaten weltweit auch die Nutzung fossilen grauen Wasserstoffs sowie blauen Wasserstoffs, der sich unter Einsatz von CO2-Abscheidung und -speicherung (CCS) gewinnen lässt, als Chance für einen bezahlbaren Markthochlauf und den Aufbau eines H2-Markts gesehen. Etwa die Hälfte der vorgelegten Strategien sieht langfristig (bis 2050) neben grünem Wasserstoff auch eine Nutzung von blauem Wasserstoff vor (Abb. 3).

Verkehr und Industrie als erste große Zielsektoren

Die zentralen Anwendungsbereiche für Wasserstoff werden von den meisten Strategien zunächst im Transport- und Industriesektor gesehen (vgl. Abb. 4). Der Mobilitätsbereich wird in allen analysierten Regierungsplänen als bedeutender Zielsektor adressiert, wenn auch teilweise mit unterschiedlichen Schwerpunkten bei den Verkehrsträgern im Einzelnen. Viele europäische Strategien sehen vor, den Wasserstoff vor allem in Bereichen einzusetzen, die sich schwer dekarbonisieren lassen, etwa in Bussen und im Schwerlastverkehr.

In Japan, Südkorea, China oder auch Kalifornien wird dem alternativen Energieträger dagegen auch in Pkw eine wichtige Rolle zugeschrieben. Der Einsatz von grünen synthetischen e-fuels auf H2-Basis wird in einigen Strategien ebenfalls diskutiert, etwa als Antrieb für die Luft- und Schifffahrt. Da e-fuels ohne größere Modifikationen in bestehenden Motoren genutzt werden können, ließen sich mit ihnen auch kurz- bis mittelfristig bereits die Emissionen des Verkehrssektors in den Bestandsflotten reduzieren.

In Raffinerien sowie in der (petro-)chemischen Industrie dient Wasserstoff bereits heute als Ausgangsstoff für eine Vielzahl von Produkten und Prozessen, wie etwa für die Herstellung von Ammoniak und Methanol. Der eingesetzte Wasserstoff stammt bislang vorrangig aus fossilen Quellen, vor allem Erdgas. Besonders von Ländern mit einer starken Industriebasis und anspruchsvollen Klimazielen wird grüner Wasserstoff als wichtige Möglichkeit zur Dekarbonisierung des Industriesektors anerkannt. Den Ersatz fossiler Energieträger durch kohlenstoffarmen Wasserstoff thematisieren verschiedene H2-Pläne, etwa der EU und von Deutschland. Die Weltenergierat-Studie prognostiziert, dass Chemieindustrie und Raffinerien mittelfristig Treiber der ersten großen H2-Märkte sein werden. Auch energieintensive Industriezweige wie die Stahl- und Zementindustrie können sich zu bedeutenden Verbrauchern von grünem Wasserstoff entwickeln.

Im Gegensatz zur deutschen und europäischen Strategie wird in Südkorea und Japan auch der Gebäudesektor als beachtlicher Einsatzbereich für Wasserstoff identifiziert. Brennstoffzellen kommt hier eine wachsende Bedeutung zu. Länder wie Australien und die Ukraine planen zudem, Wasserstoff vor allem für den Export zu nutzen. Der Aufbau eines Binnenmarkts für Wasserstoff wird hier eher als Ausgangspunkt für die Schaffung der notwendigen Wertschöpfungsketten für den künftigen H2-Export betrachtet (Abb. 4). 

Notwendigkeit internationaler Partnerschaften

Der erwartete H2-Bedarf wird nicht in allen untersuchten Strategien quantifiziert. In den Ländern, die dies tun, liegt der vermutete Verbrauch jedoch (bezogen auf die Wirtschaftsleistung) bei einer ähnlichen Größenordnung. Auf Basis der veröffentlichten Strategien schätzt die Studie den globalen Bedarf an Wasserstoff für das Jahr 2050 daher auf etwa 9.000 TWh bzw. 270 Mio. t jährlich. Das entspricht ungefähr der Hälfte an Primärenergie, die die EU28 im Jahr verbraucht. Bis 2030 werden allein in der EU voraussichtlich 40 Mrd. € in Produktionskapazitäten für grünen Wasserstoff investiert.

Da Erzeugung und Verbrauch von Wasserstoff geografisch nicht immer zusammenfallen werden, rücken neben der H2-Produktion vor allem Fragen des Transports, der Trägermedien sowie von deren Kosten in den Fokus der Diskussion. Bereits heute zeichnet sich ab, dass viele Staaten ihren Bedarf durch die eigenen H2-Kapazitäten nicht werden decken können, etwa aufgrund limitierter Erneuerbaren-Potenziale durch begrenzte Flächen. Deutschland, Japan und Südkorea rechnen beispielsweise damit, künftig große Mengen an Wasserstoff importieren zu müssen. Voraussetzung hierfür ist die Errichtung entsprechender Produktionskapazitäten im Ausland und der damit verbundenen Transportinfrastruktur. Die Studie geht deshalb davon aus, dass sich die ersten Export-/Importbeziehungen im Wasserstoffbereich auf bilaterale Abkommen gründen werden, um so die Risiken für das eingesetzte Kapital zu begrenzen.

Fazit: Maßnahmen zur Umsetzung der Pläne bislang vage

Die Studie kommt zu dem Schluss, dass die analysierten Strategien sich bislang häufig auf die Formulierung von Zielvorstellungen für eine umweltfreundliche H2-Produktion und die Entwicklung entsprechender Technologien konzentrieren. Den nationalen Plänen fehlt es jedoch oft an belastbaren Aussagen zu konkreten Instrumenten für ihre Umsetzung. Viele Regierungen konzentrieren sich auf Maßnahmen im Bereich der Forschung und Entwicklung. Diese sind der Analyse zufolge zwar weiterhin wichtig, werden jedoch nicht die notwendige Kommerzialisierung befördern.

Der Markthochlauf wird in wesentlichem Maße von der Wettbewerbsfähigkeit von Wasserstoff gegenüber anderen Energieträgern abhängen. Neben einer stärkeren Differenzierung der Bepreisung von Energieträgern nach ihrem CO2-Gehalt ist daher eine verlässliche Senkung der Betriebskosten durch eine verstärkte OPEX-Förderung notwendig, um längerfristige Investitionssicherheit zu gewährleisten.

Bislang greifen die skizzierten Maßnahmen jedoch zu kurz. Deshalb sind konkrete Instrumente zur Nutzung von Wasserstoff ebenso nötig wie mehr Kooperation auf internationaler Ebene bei zentralen Fragen, wie der Zertifizierung von Wasserstoff und dem Infrastrukturaufbau. Ein allgemein anerkannter Zertifizierungsmechanismus für grünen oder kohlenstoffarmen Wasserstoff wäre ebenso zentral für einen erfolgreichen Markthochlauf und die Bildung eines globalen H2-Markts wie planungssichere Instrumente zur Senkung der Betriebskosten.

Quellen

[1] Weltenergierat – Deutschland e.V./Ludwig-Bölkow-Systemtechnik GmbH (LBST): International Hydrogen Strategies. A study commissioned by and in cooperation with the World Energy Council – Germany, Berlin 2020.

[2] https://www.weltenergierat.de/international-hydrogen-strategies/; die Weltkarte wird fortlaufend aktualisiert.

 

Dr. C. Rolle, Geschäftsführer, rolle@weltenergierat.de; M. Kusch, Senior Managerin, kusch@weltenergierat.de,Weltenergierat Deutschland e.V., Berlin

 

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