Anforderungen an Energieversorger

Abb. 4 Darstellung Kostenbestandteile Fixpreis gegenüber Kostenbestandteile dynamischer Tarif an einem konkreten Beispiel

Abb. 4 Darstellung Kostenbestandteile Fixpreis gegenüber Kostenbestandteile dynamischer Tarif an einem konkreten Beispiel (Quelle: Simon-Kucher)

Für Energieversorger gilt es aber noch einige Hürden zu überwinden, bis sie die Chancen, die das Smart-Meter-Gesetz mit sich bringt, tatsächlich nutzen können. Denn bspw. eine Beschaffung unabhängig der Preisbindung der Kunden an den Börsenpreis birgt Risiken. Der derzeitige Trend der Beschaffung von Vollversorgungsprodukten hin zu flexibleren und kurzfristigeren Produkten wird sich weiter verstärken. Das bringt neue Anforderungen an die Beschaffung mit sich und erfordert eine engere Zusammenarbeit mit dem Vertrieb. Energieversorger mit Börsenzugang können Mengen zwar direkt an der Börse beschaffen, jedoch sind einige auf Vorlieferanten angewiesen und hier fehlt es oftmals noch an passenden Produkten.

Welche Auswirkungen eine großflächige Nutzung der dynamischen Tarife auf die Energiemärkte hat, ist noch zu quantifizieren – ob die Verschiebung hin zu kurzfristigeren Beschaffungsprodukten zu einer erhöhten Liquidität am Spotmarkt und Day-Ahead-Markt oder zu Engpässen führen wird, ist nicht ausreichend untersucht.

Doch auch an der Kundenschnittstelle muss gearbeitet werden: Die Preissignale müssen nutzerfreundlich übermittelt werden. Eine gelungene Integration in die Energieversorger-App kann zu einer sehr guten User Experience führen und um weitere passende Funktionalitäten ergänzt werden – CO2-Rechner für die Partizipation an der Dekarbonisierung oder Darstellung von Einsparpotenzialen durch optimiertes Verbrauchsverhalten.

Das Preismodell, wie wir es bisher kennen, mit einem Grundpreis und einem fixen Arbeitspreis für die Vertragslaufzeit, wird sich verändern müssen (siehe Abb. 4). Die Risiken im Preismodell sinken für den Energieversorger durch die direkte Weitergabe der Börsenstrompreise, sodass dem Endkunden attraktive Preise geboten werden können. Die Preisbestimmung und die prozessuale Umsetzung müssen jedoch auch gewährleistet werden.
 
Zu beachten ist: Dynamische Tarife sind nicht für alle Verbrauchertypen gleich attraktiv. Andere nutzungsabhängige Tarife können ebenfalls einfachere, aber effiziente Anreize bieten. Eine Zielkundensegmentierung hilft bei der Identifikation der Kundenbedürfnisse und der Gestaltung des Preismodells.

Chance für ein nachhaltiges Wachstum

Wir sind trotz der Herausforderungen für Energieversorger überzeugt, dass die Einführung dynamischer Stromtarife zahlreiche Chancen birgt und nicht als gesetzliche Pflichtaufgabe missverstanden werden darf. Durch das neue Gesetz wird ein Rahmen geschaffen, in dem beide Seiten profitieren können. Mit Hilfe dynamischer Tarife können Versorger ihr Produktportfolio diversifizieren und Kunden ansprechen, deren Bedürfnisse nicht durch einen Standardtarif erfüllt werden. Die Kundenbindung wird so gesteigert. Eine klare Positionierung und das Herausarbeiten der USPs sind dabei erfolgsentscheidend.

Der Rückenwind der aktuellen Marktsituation und des Gesetzgebers, der mit der Novelle die Digitalisierung der Energiewende vorantreibt und den Einbau von Smart Meter sowie das Angebot von dynamischen Stromtarife fördert, kann zum Wachstum im Stromgeschäft genutzt werden. Einem Markt, der durch die Elektrifizierung insbesondere im Wärmebereich in den kommenden Jahren zunehmen wird. 

Thomas Haller, Michael Kässer und Malte Trukenmüller, Simon-Kucher
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