AGFW-Präsident Dr. Hansjörg Roll im Interview zu grüner Fernwärme

Über die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze sprach die EUROHEAT&POWER mit AGFW-Präsident Dr. Hansjörg Roll.

Für den erfolgreichen Ausbau der Wärmenetze bedarf es hoher Investitionen – so AGFW-Präsident Dr. Hansjörg Roll im Gespräch mit der EUROHEAT&POWER (Quelle: Laufkötter)

EHP: Hat die Energiekrise Auswirkungen auf die Dekarbonisierung und Transformation der Fernwärme?

Roll: Einerseits kann die momentane Energiekrise wie ein Katalysator für die Dekarbonisierung und Transformation der Fernwärme wirken. Kommunen, Verbraucher und Politik verinnerlichen: Grüne Fernwärme ist unabhängig von fossilen Brennstoffen aus dem Ausland und dazu noch sauber. Eine erfolgreiche Transformation unserer Branche verspricht also eine CO2-neutrale Versorgungssicherheit im Wärmesektor. Mittlerweile treten wir auch mehr und mehr in den Fokus der kommunalen Planungen. Und auch die Nachfrage von Kundenseite verstärkt sich: Viele Verbraucher möchten heute an Fernwärmenetze angeschlossen werden.

Doch andererseits bedarf es für den erfolgreichen Ausbau der Wärmenetze und den Bau klimaneutraler Erzeugungsanlagen hoher Investitionen. Schon vor der Krise war klar: Ohne staatliche Förderungen werden wir es nicht schaffen, den Wärmesektor um- und auszubauen. Wenn unsere Mitgliedunternehmen auf den Kosten der jetzigen Krise sitzen bleiben sollten, sinkt auch deren Investitionsfähigkeit in die Zukunft. Hinzu kommt der Fachkräftemangel, den wir in der Branche immer stärker spüren. Wärmenetze verlegen sich nun einmal nicht von selbst.

Um eine erfolgreiche Wärmewende sicherzustellen, brauchen wir mehr Unterstützung von politischer Seite. Die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze ist dabei ein wichtiger Anfang, reicht angesichts der hohen Kosten jedoch bei weitem nicht aus.

EHP: Herr Maaß hat im Hinblick auf die Bundesförderung effiziente Wärmenetze (BEW) in Aussicht gestellt, sich für eine auskömmliche Finanzierung einzusetzen. Was wäre hinsichtlich der BEW notwendig?

Roll: Grundsätzlich würde unsere Branche es sehr begrüßen, wenn die Fördersumme des BEW deutlich erhöht werden würde. Zudem sollte die Bundesförderung eine Geltungsdauer bis mindestens 2030 aufweisen, um den Unternehmen eine höhere Planungssicherheit zu bieten. Wichtig wäre auch eine Technologieoffenheit: Derzeit ist zum Beispiel Wärme aus der thermischen Abfallverwertung nicht förderfähig. Zudem gelten enge Grenzen für den Einsatz von Biomasse. Das ist nicht hilfreich.

Außerdem sollte die Förderung der Maßnahmenpakete jeweils Förderzusagen ohne Rückzahlungsverpflichtungen enthalten. Dies sollte unabhängig von den Gesamtzielen des Transformationsplans gelten.

EHP: Was benötigt die Fernwärmebranche seitens der Politik momentan am dringendsten?

Roll: Wir haben in unserer Branche einen hohen Investitionsbedarf, um die Städte in der Breite mit grüner Fernwärme versorgen zu können. Unternehmen investieren jedoch nur, wenn sie Planungssicherheit haben. Hier muss noch viel passieren. So benötigen wir eine Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren hinsichtlich des Baus von Erzeugungsanlagen und des Ausbaus der Wärmenetze. Der Gesetzgeber sollte auf allen politischen Ebenen regeln, dass der Ausbau der Fernwärmeinfrastruktur in Deutschland von besonderem öffentlichem Interesse ist und demnach privilegiert vor anderen Interessen. Zudem bedeutet Planungssicherheit auch, dass die Branche langfristige stabile Rahmenbedingungen benötigt. Das gilt übrigens nicht nur für Investitionen in Wärmeinfrastruktur, sondern auch für die Zukunft der Gasnetze, denn zwischen Fernwärmeausbau und Wasserstoffhochlauf ist noch völlig unklar, was mit diesen Milliardenwerten passiert. Je eher hier Klarheit herrscht, umso schneller können wir investieren. Höhere und fest zugesagte Investitionsförderungen würden ebenso helfen.

Bedauerlicherweise überwogen von politischer Seite in der Vergangenheit die Forderungen und nicht die Förderungen. 14 Prozent der Haushalte werden derzeit mit Fernwärme versorgt, nicht wie in Dänemark bereits 65 Prozent. Um uns aber dem Fernwärmemusterland Dänemark anzunähern, brauchen wir keine zusätzlichen Regulierungen, die den Ausbau verkomplizieren und verzögern. Ebenso ist die Erwartungshaltung gegenüber den Fernwärmeversorgern oft überzogen. Substanzielle Ergebnisse in Ausbau und Transformation der Fernwärmeinfrastruktur sind nicht innerhalb von zwei Jahren möglich. Dabei fehlt so manchem Akteur aus Politik und Gesellschaft das Verständnis für die Komplexität der Aufgabe, vor der die Fernwärmebranche steht.

EHP: Vielen Dank für das Gespräch.

EHP-Redaktion
2 / 2

Ähnliche Beiträge