KWK-Gesetz

„Die echten Herausforderungen für die Energie- und die Wärmewende liegen im Bestand“, sagt Dr. Tanja Wielgoß. Die Stadtwärme – wie sie die Fernwärme gerne nennt – sei hier die beste Lösung

„Die echten Herausforderungen für die Energie- und die Wärmewende liegen im Bestand“, sagt Dr. Tanja Wielgoß. Die Stadtwärme – wie sie die Fernwärme gerne nennt – sei hier die beste Lösung (Bildquelle: Laufkötter)

EHP: Sie haben bereits mehrfach das KWK-Gesetz angesprochen, das jetzt novelliert wurde. Wie bewerten Sie die beschlossene KWKG-Novelle?

Wielgoß: Die Verlängerung bis 2030 ist unerlässlich. Bis dahin wird es schon sportlich, den Kohleausstieg zu schaffen. Die jüngst beschlossenen Anpassungen im Kohleausstiegsgesetz haben da jetzt Klarheit geschaffen.

EHP: Vattenfall setzt auch auf Power-to-Heat. Sie haben bereits die Anlage in Reuter West erwähnt. Rechnet sich Europas größte Power-to-Heat-Anlage? Gibt es ausreichend überschüssigen Strom aus Windenergie- und PV-Anlagen?

Wielgoß: Da sprechen Sie einen wunden Punkt an. Power-to-Heat ist ein wichtiger Baustein, um urbane Zentren regenerativ mit Energie zu versorgen. Angesichts der begrenzten Flächen in einer Stadt ist es leicht nachvollziehbar, dass dort nicht die notwendig großen Mengen an Energieleistung über Windräder oder Sonnendächer produziert werden können. In der Stadt produzierte grüne Energie wird fast  immer ein Tropfen auf dem heißen Stein bleiben. Hingegen bietet das Umland oft und gerade in Berlin sehr gute Möglichkeiten, um in Größenordnungen regenerativ Energie zu erzeugen. Und über Power-to-Heat oder Power-to-District-Heat, wie wir es gerne nennen, haben wir eine super Möglichkeit, diese Energie dann für die Berlinerinnen und Berliner nutzbar zu machen: Wenn ich Strom aus regenerativen Energien im Überfluss habe, dann kann ich diesen mit Power-to-Heat in ein Fernwärmenetz bringen. Damit dient unser Netz als riesiger Speicher. Und wenn wir dies noch mit Wärmespeichern flankieren, dann zeigt sich, was für große Chancen der Wärmesektor in Bezug auf die Energiewende bietet.

EHP: Aber ist Power-to-Heat wirtschaftlich? Welche Weichenstellungen müsste hier die Politik vornehmen?

Wielgoß: Das Problem ist, dass wir auf den Strom, der normalerweise abgeregelt werden würde, weiterhin komplett alle Abgaben bezahlen. Damit ist es nicht wirtschaftlich. Und wir haben – ehrlich gesagt – auch kein Verständnis, dass einzelne Bundesländer in dieser Republik gefördert werden und die anderen nicht.

EHP: Sie meinen Schleswig-Holstein ...

Wielgoß: Genau. Dort wird der Ausbau der Windenergie durch die Entlastung von den entsprechenden Gebühren gefördert. Aber nicht nur in Schleswig-Holstein werden Windenergieanlagen abgeregelt, sondern es ist der komplette norddeutsche Raum betroffen. Von daher sehen wir keinen Grund, warum dieses Gesetz nicht für ganz Deutschland gilt, und wir damit gleiche Rechte für alle haben.

EHP: Die Machbarkeitsstudie legt auch eine Gebäudesanierungsrate zugrunde. Was ist hier zu tun?

Wielgoß: In der Machbarkeitsstudie haben wir relativ ambitionierte Dämmraten hinterlegt – in einem gemeinschaftlichen Prozess mit der Stadt, aber auch der Wohnungswirtschaft – wohl wissend, dass diese so ambitioniert sind, dass sie unter den aktuellen Rahmenbedingungen, Stichwort Mietpreisbremse, eigentlich unrealistisch sind. Hier ist es notwendig, dass die verschiedenen politischen Zielkonflikte, die wir absolut anerkennen, nebeneinander gelegt und auf politischer Ebene Lösungen dafür gefunden werden. Denn so, wie das Gesamtsystem im Moment gestrickt ist, ist es nicht förderlich für die notwendige Sanierung und damit die Senkung des Energiebedarfs. Wir glauben allerdings auch, dass wir einen großen Teil zur Lösung beitragen können.

EHP: Inwiefern?

Wielgoß: Letztendlich wird die Energiewende in der Wärme gewonnen werden. Die echten Herausforderungen für die Energie- und die Wärmewende liegen im Bestand. Viele schauen sich die im Vergleich zu den bestehenden Wohnungen und Häusern wenigen Neubaugebiete an und die Lösungen, die es dafür gibt. Wenn wir hingegen die riesige Anzahl an Bestandsgebäuden betrachten und uns verdeutlichen, was dort eigentlich notwendig ist, dann fällt uns nicht viel mehr ein als Stadtwärme als Produkt. Nur ist das Produkt noch viel zu wenig bekannt. Die Sektorziele der Gebäudewirtschaft werden über die Dämmung nicht erreicht werden. Wir als Fernwärmeversorger können quasi einen Teil der Last übernehmen und damit einen großen Beitrag für die Gebäudewirtschaft leisten.

EHP: Wir haben nun eine CO2-Bepreisung. Was halten Sie davon?

Wielgoß: Wir wollen faire Wettbewerbsbedingungen. Deswegen finden wir es gut, dass jetzt endlich Öl und Gas auch eine CO2-Bepreisung haben, nicht nur wir, die wir sie ja schon lange über den europäischen Emissionshandel haben. Ich persönlich glaube, dass die CO2-Bepreisung das Instrument überhaupt ist. Wenn das bepreist wird, was reduziert werden soll, dann werden Kräfte freigesetzt, dort tatsächlich auch einzusparen.

EHP: Sie sind neues Vorstandsmitglied im AGFW. Wie wichtig ist Ihnen die Mitarbeit im AGFW?

Wielgoß: Der AGFW ist ein Verband, der gut erklären kann, was wir als Branche für Deutschland an Beiträgen leisten können, um die Klimaziele 2030 zu erreichen. Ob München, das Ruhrgebiet, Rosenheim oder Flensburg oder, oder ... alle sind gleich wichtig, weil jeder in seinem Wirkungskreis tatsächlich diese Diskussion führen kann, die wir hier auch in Berlin führen. Wenn ich einen Beitrag leisten kann, dass unsere Branche ein bisschen mehr Gehör findet – breit in Deutschland und der Politik –, dann würde ich mich sehr freuen.

EHP: Vielen Dank für das Gespräch, Frau Dr. Wielgoß.

www.vattenfall.de

Silke Laufkötter
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