Höchst motivierte Improvisationskünstler

Der Mensch muss wieder in den Mittelpunkt rücken – unsere Kollegen und Mitarbeiter sind nicht nur lästige CO2-Emittenten, die das Budget belasten, sondern extrem gut ausgebildete und höchst motivierte Improvisationskünstler, die derzeit unter schwierigsten Bedingungen die Versorgungsstrukturen am Leben erhalten und nahezu rund um die Uhr – sieben Tage die Woche und 365 Tage im Jahr – die Versorgungssicherheit erhalten.

Die neuen Hypes wie Digitali­sierung, Smart Home, 5G und schnelles Internet für alle, Elektroheizungen/Wärmepumpen, Elek­tromobilität usw. führen dazu, dass der Stromverbrauch rasch zunimmt. Im Gegensatz dazu wird die Erzeugungskapazität in unseren Kraftwerken und Heizkraftwerken immer mehr zurückgefahren. Diese Schere klafft von Jahr zu Jahr immer weiter auseinander. Wir steigen aus öko-ideologischen Gründen zunehmend aus der eigenen Energieerzeugung aus und versuchen, die  benötigte Energie aus den Nachbarländern einzukaufen – teilweise aus Anlagen, die technisch um Welten schlechter sind als die eigenen, die wir abschalten. Die Preise steigen, die Unsicherheiten nehmen zu – aber wir können unsere Hände in Unschuld waschen. Nun sind die Anderen die bösen Umweltverschmutzer!

Volkswirtschaftliche Gesamtoptimierung

Am Ende meiner beruflichen Laufbahn wünsche ich mir für die Zukunft unserer Branchen, dass wir unsere Infrastrukturen trotz der Irrungen und der Wirren der Politik behutsam weiterentwickeln und erneuern können. Das revolutio­näre Tempo dieser einseitigen, chaotischen und von Partikularinteressen sowie stochastischen Ereignissen dominierten Energiepolitik muss überführt werden in eine zukunftsorientierte, evolutionäre volkswirtschaftliche Gesamtoptimierung.

Bezahlbare, versorgungssichere Energie- und Wasserbereitstellung, bezahlbares Wohnen – auch in den Metropolregionen – sind Grundansprüche unserer Gesellschaft. Es ist schon sehr bedenklich, wenn hervorragend ausgebildete und engagierte Monteure in den Metropolregionen größte Mühe haben, mit ihrem Gehalt eine Familie zu gründen.

Als konstruktiv kritische, engagierte und zukunftsorientierte Bürger und Wähler müssen wir die Schieflagen erkennen und die Politik beeinflussen, damit auch wir dazu beitragen den sozialen Frieden zu erhalten. Es ist noch nicht zu spät – aber es ist 5 vor 12!

Technisches Fach-Knowhow 

Zum Glück haben nun auch Politiker und Ministerien die Wärmewende und die Fernwärme entdeckt. Die Fernwärme wird zum Premiumpartner der Energiewende. Das bedeutet: enormer Ausbau, aber auch Altanlagenersatz – und das mit viel zu wenigen Fachkräften. In unseren Gremien höre ich immer wieder: „Wir könnten das x-fache bauen, wenn wir die Firmen oder die eigenen Kolonnen dazu hätten.“ Diese Erkenntnis kommt besser spät als nie! 

Outsourcing war seit Jahren die Devise der Berater – natürlich haben viele Unternehmen alles realisiert, was ihnen die Berater geflüstert haben. Plötzlich wird erkannt, dass man nicht mehr alles kaufen kann – und selbst zum Einkaufen ein Mindestmaß an Rest-Knowhow erforderlich ist.

Die Herausforderungen der Zukunft können wir nur gemeinsam meistern – Versorger, Dienstleister, Hersteller und unsere Endkunden müssen wieder zurückfinden zu einem partnerschaftlichen, vertrauensvollen und freundschaftlichen Miteinander.

Nach etlichen Pannen und Schäden setzt sich langsam sogar wieder die Erkenntnis durch, dass technisches Fach-Knowhow zwar den hierarchischen Aufstieg verhindert, für eine erfolgreiche Unternehmensgeschichte aber dennoch unverzichtbar ist!

Nur die grüne Fernwärme soll Zukunft haben – keine CO2-Emissionen mehr! Kommt die Fernwärme zukünftig nur noch aus Wind- und Photovoltaikstrom über Großwärmepumpen und jede Menge Solarthermie und Geothermie? Mal sehen was die Zukunft bringt. Lassen wir uns überraschen! 

Übrigens: Keine Angst vor der Spartenintegration! Mit zunehmendem Alter werden die meisten von uns zum idealen „Querverbundler“:

Wir stehen alle unter Strom,
haben Gas im Bauch,
Wasser in den Beinen – aber:
wir bewahren immer die Wärme im Herzen!

Am Ende des (Berufs-)Lebens drängt sich mir immer wieder ein Zitat auf, das ich in einen Artikel in der EUROHEAT&POWER im Jahr 2006 eingebaut hatte:

„Der Staatshaushalt muss ausgeglichen sein. Die öffentlichen Schulden müssen verringert, die Arroganz der Behörden muss gemäßigt und kontrolliert werden. Die Zahlungen an ausländische Regierungen müssen reduziert werden, wenn der Staat nicht Bankrott gehen soll. Die Leute sollen wieder lernen zu arbeiten, statt auf öffentliche Rechnung zu leben!“

(Zitat von Marcus Tillius Cicero, Rom, aus dem Jahre 55 vor Christus)

In diesem Sinne alles erdenklich Gute für die Zukunft!


Helmut Ernst, Bereichsleiter Technik & Normung i.R., AGFW

EHP-Redaktion
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