Bis in die Nacht dauerten die Reparaturarbeiten in Jena-Nord. Durch die Havarie waren rd. 6 000 Kunden von der Fernwärmeversorgung abgeschnitten. Daher rief die Stadt Jena den Katastrophenfall aus und die Stadtwerke Jena leiteten das Krisenmanagement ein

Bis in die Nacht dauerten die Reparaturarbeiten in Jena-Nord. Durch die Havarie waren rd. 6 000 Kunden von der Fernwärmeversorgung abgeschnitten. Daher rief die Stadt Jena den Katastrophenfall aus und die Stadtwerke Jena leiteten das Krisenmanagement ein (Quelle: Stadtwerke Jena)

EHP: Im Februar kam es bei Ihnen in Jena zu einer Havarie. Anwohner meldeten gegen 8 Uhr morgens eine meterhohe Dampffontäne. Was geschah dann?

Schmidt: Wir hatten meterhoch Schnee bei Temperaturen von -10 bis -15 °C. Da hat ein Medienaustritt aus einem Schacht heraus natürlich schon rein optisch seine Wirkung. Über diesen Teil des Fernwärmesystems, das den Schaden hatte, werden bis zu rd. 6 000 Kunden versorgt. Diese waren von dem Vorfall massiv betroffen, denn im Rahmen der Reparatur mussten wir den ganzen Abschnitt abschalten.

EHP: Was passiert, wenn jemand einen Medienaustritt meldet?

Schmidt: Zunächst ist das nichts Besonders. Es passiert bei jedem unserer Medien, egal ob Strom, Gas oder Wärme, dass mal eine Störung auftritt. Unser Bereitschaftsdienst oder im Tagesbetrieb die Betriebsbereitschaft fährt dann hinaus und bewertet die Situation. In der Regel wird eine Reparatur eingeleitet. In 99 % der Fälle ist kein großes weiteres Verfahren notwendig. Grundsätzlich unterscheiden wir zwischen Störung, Notfall, Krise und Katastrophe. Das sind in unseren Regelwerken beim AGFW und auch im rechtlichen Sinne die Unterscheidungen. Störungen sind in unserer Art von Unternehmen, eben Fernwärmeversorgungsunternehmen, das Tagesgeschäft.

EHP: Was sind Notfälle?

Schmidt: Ein Notfall ist eine kleine Steigerung des Ganzen, aber immer noch beherrschbar mit der Normalorganisation. Bei einem Notfall sind beispielsweise zwei Medien oder ein größerer Bereich betroffen usw. Darum kümmern sich unsere Mitarbeiter.

EHP: Und wie läuft es bei der Krise und Katastrophe?

Schmidt: Krise und Katastrophe sind die eigentlichen Herausforderungen. Katastrophe ist ein rechtlich definierter Begriff, der nur behördlich und nicht von uns als Unternehmen ausgerufen werden darf. Eine Katastrophe wird vom Landkreis oder – wie es bei uns der Fall war – vom Oberbürgermeister ausgerufen.

EHP: Bei der Havarie im Februar hat die Stadt Jena den Katastrophenfall ausgerufen, so dass Sie das Krisenmanagement starten konnten.

Schmidt: Richtig. Das Krisenmanagement ist für uns im Unternehmen die höchste Form der Eskalation. Wenn Störungen und Notfälle nicht mehr beherrschbar sind, dann greift diese Sonderorganisation, das Krisenmanagement. Wir haben es in den letzten Jahren aufgebaut, und es hat uns in diesem Fall tatsächlich sehr geholfen, die Krise sehr gut zu bewältigen.

EHP: Inwiefern handelt es sich um eine Sonderorganisation?

Schmidt: Das Krisenmanagement, verändert teilweise die Regeln im Unternehmen, unabhängig von Hierarchien. Es bringt Menschen in neue Aufgaben.

EHP: Das heißt also, im Fall einer Krise ändern sich die Rollen oder Regeln, die normalerweise im Haus herrschen, und es treten die Krisenregeln ein?

Schmidt: Genau. Wenn bekannt ist, dass sich Regeln ändern, dann ist es sehr wichtig, ein System zu etablieren, in dem festgelegt wird, wann eine Krise ausgelöst wird. Damit sollte man nicht leichtfertig umgehen. In unserem System gibt es die strategische, politische Führung. Das sind die beiden Geschäftsführer der Stadtwerke Jena Holding. Diese entscheiden, ob wir im Krisenzustand sind, rufen das Krisenmanagement aus und beauftragen den Krisenmanager. In diesem Moment übertragen sie ihm eine ganze Menge Freiräume. Alles, was in diesem Krisenbereich stattfindet, entscheidet dann der Krisenmanager. Es gibt keine demokratische Abstimmung und alle anderen haben sich aus diesem System heraus zu halten – auch Geschäftsführer. Der Krisenmanager ist unabhängig in seiner Rolle.

EHP: Das ist eine Menge Verantwortung für den Krisenmanager.

Schmidt: Das ist eine Menge Verantwortung, die ihm in dem Fall keiner abnehmen kann. Deswegen bedarf es einer guten Vorbereitung und Ausbildung. Solange er berufen ist, trägt er die Verantwortung und trifft die Entscheidungen. Auch innerhalb des Hauses ändern sich ein paar Regeln, die wir für den Krisenfall angepasst oder einfach außer Kraft gesetzt haben, da es darum geht, schnell zu handeln und durchaus auch weit vorauszudenken. Es ist die Aufgabe eines Krisenmanagers, am bestem zehn bis 24 Stunden vorauszudenken im Laufe der Krisenentwicklung.

EHP: Sie haben das Krisenmanagement bereits lange vor der Havarie im Februar im Unternehmen installiert. Wie sind Sie dabei vorgegangen?

Schmidt: Das war ein längerer Prozess. Auslöser war die TSM-Überprüfung. Wir waren bereits gut aufgestellt, haben aber aus den Fragen der Experten der Verbände wie AGFW, DVGW und FNN, bei denen wir zertifiziert sind, erkannt, dass wir noch etwas tun müssen. Wir haben uns rund zwei Jahre in einem Projekt damit befasst und entschieden, ein professionelleres Krisenmanagement einzuführen. Dabei haben wir uns unterstützen lassen von einem externen Berater. Entscheidend ist dann, diese Organisation zu etablieren, die Menschen auszubilden und Grundlagen zu schaffen.

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