Der Kohleausstieg und seine Auswirkungen auf den Strommarkt

Bildquelle: RWE

Mit Beschluss vom 26. Januar 2019 hat die Kommission »Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung« (Kohlekommission) ihren Abschlussbericht vorgelegt. Dieser wirft Fragen hinsichtlich der ökologischen Effektivität, der wirtschaftlichen Effizienz und der Belastung für die öffentlichen und privaten Haushalte sowie hinsichtlich der Weiterentwicklung des Strommarktregimes auf.

Diese sollten analysiert und beantwortet werden, um belastbare politische Entscheidungen treffen zu können.

Ökologische Wirksamkeit nur bei adäquater Löschung von Emissionszertifikaten

Der entscheidende Satz im Abschlussbericht der Kohlekommission lautet: »Eine ausreichende Wirksamkeit der nationalen Stilllegung von Braun- und Steinkohlekraftwerken auch im Rahmen des europäischen Emissionshandels ist sicherzustellen« [1]. Anders ausgedrückt: Nur wenn für die ursprünglich geplante Restlaufzeit der vorzeitig stillzulegenden Kohlekraftwerke eine adäquate Menge an EU-Emissionszertifikaten nicht in Anspruch genommen beziehungsweise gelöscht wird, führt der deutsche Kohleausstieg auch zu einer Verringerung der Treibhausgasemissionen in Europa.

Der Zusammenhang zwischen Kraftwerksstilllegungen und zu löschenden Emissionszertifikaten wird im Bericht jedoch kaum akzentuiert. Ohne die Löschung der Zertifikate werden diese anderweitig genutzt, das heißt, andere europäische Anlagen werden die durch die Stilllegung der deutschen Kohlekraftwerke vermiedenen Emissionen ausstoßen. Für den Klimaschutz wäre damit nichts gewonnen. Dieser Fehler wurde schon beim Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) gemacht. Von daher gilt es jetzt, diesen Zusammenhang stärker in die breite Öffentlichkeit zu kommunizieren und politisch umzusetzen.

Milliardenschwere Entschädigungs­zahlungen – nicht der effizienteste Weg

Aus umweltökonomischer Sicht würde es ausreichen und wäre es auch wesentlich effizienter, nur die Menge an Emissionszertifikaten zu verringern und die Entscheidung dem Markt zu überlassen, an welcher Stelle die entsprechenden Emissionsmengen eingespart werden. Außerhalb des Emissionshandelsbereichs müssen andere Instrumente greifen, zum Beispiel eine CO2-Abgabe. Aber für die Anlagen, die dem Emissionshandel unterliegen, stellt sich die Frage: Können nicht Unternehmen besser als der Staat beurteilen, ob es beispielsweise wirtschaftlich sinnvoller ist, ein bestimmtes Kohlekraftwerk stillzulegen, den Einsatz von Kalkstein in der Zementproduktion durch industrielle Reststoffe wie Flugasche, Schlacken oder Hüttensand zu ersetzen, Koks durch Biokoks aus Biomassereststoffen zu substituieren, Herdschmelzöfen in der Aluminiumindustrie zu optimieren oder eine Windenergieanlage zu errichten? Letztlich sollte die Politik die Rahmenbedingungen so setzen, dass diejenigen Maßnahmen mit den geringsten Grenzvermeidungskosten umgesetzt werden.

Stattdessen soll der Staat laut den Empfehlungen der Kohlekommission nun detailliert planen, welche Kohlekraftwerke wann stillgelegt und welche Erneuerbare-Energien-Anlagen wann ausgeschrieben und errichtet werden sollen sowie die Anlagenbetreiber adäquat entschädigen beziehungsweise vergüten. Dabei sollen nach dem Wunsch der Kommission möglichst einvernehmliche Lösungen mit den Betreibern der Kohlekraftwerke gefunden werden, auch wenn hier die Interessengegensätze auf der Hand liegen. Aufgrund der unvollständigen, asymmetrischen Informationssituation, in der sich der Staat befindet, und dem politischen Druck, Klimaschutz durch einen Kohleausstieg zu erreichen, wird eine solche Vorgehensweise zwangsläufig zu überhöhten Entschädigungszahlungen an die Kraftwerksbetreiber und zu Ineffizienzen im Gesamtsystem führen. Auch für bereits gebaute, aber sich noch nicht in Betrieb befindende Kraftwerke soll eine Verhandlungslösung gesucht werden, um diese Kraftwerke nicht in Betrieb zu nehmen. Hier droht Datteln 4 das Mülheim-Kärlich des Kohleausstiegs zu werden. Der Staat macht dem Betreiber Zugeständnisse, um in einer rechtlich verworrenen Situation Klarheit herbeizuführen.

Sah die Kommission keinen politisch gangbaren Weg, nur die Emissionszertifikate – über die geltenden Regelungen zum Umgang mit den Überschüssen in der Marktstabilitätsreserve und Art. 12 Abs. 4 der Emissionshandelsrichtlinie hinaus – zu verknappen und den Weg zur Emissionsminderung dem Markt zu überlassen, ohne Entschädigungen an die deutschen Kohlekraftwerksbetreiber zahlen zu müssen? Die durch eine Verknappung von Zertifikaten möglicherweise steigenden Strompreise bieten Raum für europäische Kompromisse, beispielsweise für Kompensationszahlungen Frankreichs an Polen, wenn die französischen Kernkraftwerksbetreiber ihre Renditen steigern, während die polnischen Kohlekraftwerksbetreiber unter höheren Zertifikatspreisen leiden.

Der Ausgang der Verhandlungen mit den deutschen Kohlekraftwerksbetreibern ist ungewiss und damit die Belastungen für die deutschen Steuerzahler. Zu den Belastungen gehören dabei nicht nur die milliardenschweren Kompensationszahlungen, sondern auch Strukturhilfen und weitere Maßnahmen im Umfang von rund 40 Mrd. € [2]. Die Kraftwerksbetreiber müssen sich vor ihren Gesellschaftern verantworten und sind daher verpflichtet, eine möglichst hohe Entschädigungssumme durchzusetzen. Sie können auf derzeit steigende Margen aus dem Kraftwerksgeschäft verweisen, die ihnen bei einer Stilllegung entgehen würden. Die Kommission erwähnt, dass bei Anlagen in der auf vier Jahre befristeten Sicherheitsbereitschaft mit 600 Mio. € je GW gerechnet wird. Ob diese Summe auch auf alle nun stillzulegenden Kohlekraftwerke übertragen werden kann, ist jedoch fraglich. Die Kohlekraftwerksbetreiber dürften außer den Akteuren in den Tagebaugebieten, die von Strukturhilfen profitieren, zentrale Nutznießer eines solchen Kohleausstiegs werden, die öffentlichen und privaten Haushalte dagegen die Verlierer. Ein nächster Schritt sollte daher eine umfassende Abschätzung der direkten und indirekten Folgen für die öffentlichen und privaten Haushalte sein, um ökonomisch fundiert entscheiden zu können.

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