Vom liberalisierten Strommarkt zur Planwirtschaft?

Die Kommission befürchtet, dass durch den Kohleausstieg der Strompreis steigt. Doch wird es tatsächlich zu höheren Strompreisen an der Strombörse kommen? Und welche Rolle wird der Großhandel an der Strombörse künftig überhaupt spielen? Im Folgenden werden die möglichen Veränderungen im Strommarkt durch den Kohleausstieg analysiert. Dabei wird angenommen, dass die erneuerbaren Energien weiter ausgebaut werden, Stromeinsparmaßnahmen und der Ausbau der Elektromobilität gemäß den Zielen der Bundesregierung voranschreiten [3] sowie die Erdgas- und Emissionszertifikatspreise entsprechend den Annahmen der Kohlekommission steigen.

Grenzkosten und Grenzkraftwerke

An der Strombörse bestimmt das letzte Gebot, das noch einen Zuschlag erhält, den Preis. Bisher profitieren Wasserkraftwerke sowie Windenergie- und Photovoltaikanlagen davon, dass meist mit fossilen Brennstoffen befeuerte Kraftwerke die Grenzkraftwerke sind, die mit ihren höheren Grenzkosten den Preis bestimmen. Die im Jahr 2018 auf knapp 1,9 Mrd. € gestiegenen Erlöse der Übertragungsnetzbetreiber aus dem EEG-Stromverkauf an der Börse [4] reduzieren den Förderbedarf und damit die EEG-Umlagen. Höhere Strompreise aufgrund höherer Strombörsenpreise führen zudem zu besseren Direktvermarktungsmöglichkeiten der Betreiber Erneuerbarer-Energien-Anlagen. Durch den auch von der Kommission empfohlenen Ausbau der erneuerbaren Energien auf 65 % bis zum Jahr 2030 wird es dann aber mehr Stunden im Jahr geben, in denen Wasserkraftwerke oder Windenergie- und Photovoltaikanlagen die Grenzkraftwerke sind, und die dann bei einem Strompreis nahe Null keine Deckungsbeiträge über den Arbeitspreis mehr erzielen können.

Finanzierung von Erneuerbare-Energien-Anlagen

Darüber hinaus fallen die Kern- und Kohlekraftwerke aus der derzeitigen Merit Order weg, sodass die Strompreise schnell auf das Niveau der Grenzkosten von Erdgaskraftwerken steigen können, wenn erneuerbare Energien zur Deckung der Stromnachfrage nicht ausreichen. Nach einer groben Hochrechnung auf Basis der Stromeinspeisungen aus erneuerbaren Energien im Jahr 2018 könnte dies im Jahr 2039 in mehr als 5 700 Stunden des Jahres der Fall sein. Im Endeffekt wird die Finanzierbarkeit der erneuerbaren Energien aus einem Energy-only-Market daher wesentlich von der Entwicklung der Erdgas- und CO2-Preise abhängen. Wird es genug Investoren in Windenergie- und Photovoltaikanlagen geben, die auf deutlich steigende Erdgas- und CO2-Preise vertrauen? Welche Rolle können Power Purchase Agreements (PPA) oder andere Direktvermarktungswege spielen? Oder wird der größte Teil der Kraftwerkskapazitäten im Strommarkt künftig staatlich geplant und wie bisher über Ausschreibungen und Umlagen finanziert?

Negative Strompreise

Negative Spotmarktpreise an der Strombörse wird es künftig seltener geben, da bei Erneuerbare-Energien-Anlagen und Gaskraftwerken geringere Kosten für das Anschalten und Abschalten beziehungsweise Hoch- und Herunterfahren anfallen als bei Kohle- und Kernkraftwerken. Darunter könnte die Attraktivität von Stromspeichertechnologien zum Beispiel beim Ausbau der Elektromobilität leiden.

Versorgungssicherheit

Bis zum Jahr 2039 fällt der gesamte mittlere Bereich der Merit Order der Kern- und Kohlekraftwerke weg. Dadurch springt der Strompreis in Stunden, in denen der Strom aus Wasserkraft- sowie Windenergie- und Photovoltaikanlagen nicht ausreicht, schnell von Null auf die zu erwartenden Grenzkosten von Gaskraftwerken, das heißt auf dann möglicherweise über 75 €/MWh. Die Volatilität nimmt zu. Zudem stellt sich die Frage, ob die Zeit, in denen der Strompreis über Null ist, sowie die von der Kommission empfohlene Fortentwicklung des KWK-Gesetzes zusammen ausreichen, um Investitionen in die erforderlichen Kapazitäten zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit – vor allem in Gaskraftwerke und Speicher zum Beispiel auch in stillgelegten Großkraftwerken – zu ermöglichen. Ist hier nicht jetzt schon zu befürchten, dass am Ende die Übertragungsnetzbetreiber die Aufgabe übernehmen müssen, solche Investitionen sicherzustellen und über die Netzgebühren umzulegen? Die Substitution vieler marktwirtschaftlich agierender Markteilnehmer durch natürliche Monopole wäre die Folge.

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