Verschärfter Wettbewerb im europäischen Gasmarkt
Abb. 1 Schematische Wirkung von zusätzlichen russischen Gas-Importen auf europäische Gaspreise anhand von LNG-Angebotskurven für 2020 (abhängig von der Entwicklung globaler LNG-Märkte)
Die zukünftigen Preise für Erdgas auf den europäischen Großhandelsmärkten werden hauptsächlich im Wettbewerb dieser beiden Angebotsoptionen bestimmt werden. Da russisches Pipeline-Gas vielerorts in Europa niedrigere marginale Angebotskosten im Vergleich zu LNG (Liquefied Natural Gas) hat, kann man davon ausgehen, dass LNG häufig das preissetzende Angebot in europäischen Erdgasmärkten sein wird. Dies bedeutet, dass Russlands Preisstrategie für Gas sich an dem Niveau der LNG-Importpreise zuzüglich der Transportkosten vom nächstgelegenen LNG-Importterminal orientiert [2].
Die europäischen Gaspreise und LNG-Preise bedingen sich gegenseitig: Neben der Wirkung von LNG-Preisen auf europäische Gaspreise gibt es umgekehrt eine Rückwirkung der europäischen LNG-Importe auf weltweite LNG-Preise. Wenn die globale Nachfrage für LNG hoch ist, wird es für Europa teurer, LNG zu importieren. Umgekehrt bedeutet eine große LNG-Nachfrage aus Europa auch steigende LNG-Preise weltweit. Diese Interdependenz wird in [3] im globalen Gasmarkt-Modell COLUMBUS modelliert. Es resultiert ein Pfad mit niedriger und hoher weltweiter LNG-Nachfrage (basierend auf dem Szenario „New Policies“ des World Energy Outlooks [4]).
Resultat dieser Simulationen sind sogenannte Angebotsfunktionen für LNG in der EU, d.h. Zusammenhänge zwischen LNG-Importen und -Importpreisen, welche anschließend als Input für das europäische Gasmarktmodell
TIGER dienen. Wie in Abb. 1 schematisch veranschaulicht wird, ist mit weniger LNG-Importen zu rechnen, wenn Nord Stream 2 gebaut wird. Russisches Erdgas gelangt zu geringeren Kosten nach Nordwesteuropa und verdrängt hier LNG-Importe. Dieser Nachfragerückgang nach LNG senkt den LNG-Importpreis für Europa und weltweit. Dies führt zu einem Sinken der Gaspreise in der EU, welches umso größer ausfällt, je knapper der globale Markt für LNG ist.