Historischer Energiebedarf und Energiemix

Abbildung zum Thema Dekarbonisierung bis zum Jahr 2050? - Bruttostromerzeugung (in Mrd. kWh) in Deutschland

Abb.1 Bruttostromerzeugung (in Mrd. kWh) in Deutschland (Quelle: [1])

Abbildung 2 zum Thema Dekarbonisierung bis zum Jahr 2050? - Primärenergieverbrauch Deutschlands in Petajoule und Primärenergiemix

Abb. 2 Primärenergieverbrauch Deutschlands in Petajoule und Primärenergiemix (Quelle: [6])

Zur besseren Einschätzung der künftigen Herausforderungen dient die folgende Darstellung des historischen Energiebedarfs. Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass Energieversorgungssysteme sehr träge sind, das heißt massive Änderungen innerhalb einiger weniger Jahre kaum möglich bzw. mit hohen Friktionen verbunden sind.

Ein zentrales Element deutscher Energiepolitik, das die Historie des deutschen Energiesystems wesentlich geprägt hat, ist die Nutzung von Kernenergie. Diese findet mit dem rechtlich verankerten Atomausstieg bis zum Ende des Jahres 2022 ein möglicherweise endgültiges Ende, welches eine lange Vorgeschichte hat und zwischendurch in Frage gestellt wurde. So kam es nach langen Jahren des Konflikts unter der ersten rot-grünen Bundesregierung im Juni 2000 zum „Atomkonsens“ mit den Stromversorgern über die Abschaltung aller Kernkraftwerke. Dieser wurde durch die Novellierung des Atomgesetzes im Jahr 2002 rechtlich verankert. Für die Atomkraftwerke wurden Reststrommengen vereinbart, nach deren Erzeugung die Kraftwerke abgeschaltet werden sollten. Feste Abschalttermine wurden dadurch vermieden.

Im Jahr 2010 wurde jedoch das Atomgesetz erneut geändert, um die Laufzeiten für die bis dato noch verbliebenen 17 Kernkraftwerke zu verlängern: Den sieben vor 1980 in Betrieb gegangenen Kernreaktoren wurden zusätzlich je acht Betriebsjahre gewährt, den übrigen zehn je 14 Betriebsjahre. Am 14.03.2011 – wenige Tage nach Beginn der Nuklearkatastrophe von Fukushima – kam es zu einer weiteren Kehrtwende in der deutschen Energiepolitik: Zunächst wurde ein dreimonatiges Atom-Moratorium für die acht ältesten deutschen Atomkraftwerke (AKW) verkündet. Am 6. Juni 2011 wurden dann das Aus für diese acht AKW sowie ein stufenweiser Atomausstieg bis zum Jahr 2022 beschlossen. Somit wurden 2011 knapp 9 GW bzw. rund 41 % der Bruttostromerzeugungskapazität der 17 Kernkraftwerke kurzfristig abgeschaltet. Danach wurden bis Ende 2019 drei AKW mit einer Leistung von insgesamt rund 4,2 GW stillgelegt. Die letzten sechs Reaktoren mit einer Leistung von rund 8,5 GW bzw. 40 % der gesamten Kapazität der ehemals 17 AKW sollen binnen eines Jahres wegfallen, drei bis spätestens Ende 2021, drei bis spätestens Ende 2022.

Die Zäsur bei der Kernkraft im Jahr 2011 machte sich im deutschen Strommix deutlich bemerkbar (Abb. 1). Die Stromerzeugung auf Basis von Kernkraft nahm innerhalb eines Jahres um 23,2 % ab, von rund 140 Mrd. kWh im Jahr 2010 auf 108,0 Mrd. kWh im Jahr 2011 [1]. Der Anteil der Kernkraft an der Bruttostromerzeugung schrumpfte innerhalb eines Jahres von 22,2 auf 17,6 %. Zur Deckung der Grundlast sprangen vermehrt die Braunkohlekraftwerke ein: deren Stromerzeugung stieg von 145,9 Mrd. kWh im Jahr 2010 auf 160,7 Mrd. kWh im Jahr 2012 [1]. Auch die Stromproduktion auf Basis von Steinkohle stieg in der Folge zeitweise an.

Dennoch änderte der Kernenergieausstieg nur temporär etwas an der tendenziell rückläufigen Stromerzeugung auf Kohlebasis. Die rückläufige Tendenz ist seit mehreren Jahren bei der Steinkohle besonders ausgeprägt und auf die Schließung zahlreicher Kraftwerke zurückzuführen. So fiel die Stromerzeugung auf Steinkohlebasis von 118,6 Mrd. kWh im Jahr 2014 auf 92,9 Mrd. kWh im Jahr 2017 [1]. Eine noch deutlich stärker rückläufige Tendenz ist in den Jahren 2018 und 2019 zu verzeichnen [2]: Nach vorläufigen Schätzungen wurden 2019 lediglich knapp 58 Mrd. kWh durch die Steinkohleverstromung erzeugt [1].

Dies ist neben gestiegenen Zertifikatpreisen dem stetigen Ausbau der regenerativen Stromerzeugungstechnologien geschuldet, dem zweiten zentralen Element der deutschen Energiepolitik der vergangenen Jahrzehnte. Regenerative Anlagen verdrängen Stromerzeugungstechnologien mit hohen variablen Kosten („Merit-Order-Effekt“), vor allem die Steinkohle- und Erdgasverstromung, da die variablen Kosten von regenerativen Technologien wie Windkraft und Photovoltaik praktisch bei null liegen. Die beständig zunehmende Erzeugung grünen Stroms hat somit einen dämpfenden Effekt auf die Strompreise an der Börse: Diese Preise fallen niedriger aus als in der kontrafaktischen Situation ohne einen massiven Ausbau der Erneuerbaren, mit entsprechend negativen Wirkungen für die Gewinne der Betreiber konventioneller Kraftwerke.

Der Erneuerbaren-Ausbau in Deutschland, dessen wesentlicher Treiber das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ist, führte zu einer Vervielfachung des Anteils grünen Stroms an der Bruttostromerzeugung: Dieser Anteil stieg von 6,6 % im Jahr 2000, als das EEG zur Förderung der Produktion grünen Stroms eingeführt wurde, auf 40,3 % im Jahr 2019 [1]. Das EEG gewährleistet technologie-spezifische Vergütungssätze je kWh für die Einspeisung grünen Stroms, in der Regel bis zu 21 Jahren. Besonders hohe Vergütungen gab es in der Vergangenheit für Solarstrom. Der Solarstrom aus Anlagen, die im Jahr 2005 errichtet wurden, wird mit über 50 Cent je kWh vergütet, wenn er ins Stromnetz eingespeist wird – und dies noch bis einschließlich des Jahres 2025. Die hohen Vergütungen führten in den Jahren 2009 bis 2012 zu einem exzessiven Ausbau. So wurden mit 7,1 GW allein im Jahr 2010 mehr Photovoltaik-Kapazitäten zugebaut als bis zum Jahr 2008 insgesamt installiert waren [3, 4].

Bemessen am Bruttoinlandsstromverbrauch von 594,7 Mrd. kWh im Jahr 2018 machte die Grünstromproduktion auf Basis regenerativer Technologien von 224,8 Mrd. kWh einen Anteil von 37,8 % aus [1]. Damit war das Erneuerbaren-Ziel eines Grünstromanteils von 35 % am Bruttoinlandsverbrauch im Jahr 2020 bereits zwei Jahre zuvor mehr als erfüllt. Die Erreichung dieses Ziels hat jedoch einen hohen Preis: Derzeit zahlen die Stromverbraucher über 25 Mrd. € pro Jahr für den von Erneuerbaren-Anlagen produzierten grünen Strom [5].

Trotz der massiven Subventionierung der Erneuerbaren machten diese im Jahr 2019 lediglich einen Anteil von 14,8 % am Primärenergieverbrauch Deutschlands aus (Abb. 2). Der Anteil der Photovoltaik am Primärenergieverbrauch, welche für beinahe die Hälfte aller Subventionen für Erneuerbare verantwortlich zeichnet [3], betrug lediglich rund 1,5 % [6]. Der Anteil der Windkraft war mit etwas mehr als 3 % etwas höher, die Biomasseverstromung trug rund 7,5 % zur Deckung des Primärenergieverbrauchs bei. Dieser Anteil ist seit dem Jahr 2010 nahezu unverändert. Die geringen Anteile der Photovoltaik und Windkraft verdeutlichen, dass es gewaltiger Anstrengungen bedarf, das Ziel der weitgehenden Dekarbonisierung Deutschlands mittels dieser erneuerbaren Energietechnologien erreichen zu wollen. Gemäß des im Energiekonzept aus dem Jahr 2010 verankerten Klimaschutzziels sind die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2050 um mindestens 80 % gegenüber 1990 zu senken ([7] S. 142).

Aus heutiger Perspektive erscheint dies mit den vorhandenen regenerativen Technologien als kaum bewältigbare Herausforderung, nicht zuletzt weil die Potenziale der Biomasse weitgehend erschöpft sind und ihr weiterer Ausbau in Deutschland wegen der Konkurrenz um Ackerflächen zum Nahrungsmittelanbau strikt begrenzt wird. So ist der Zubau von Biogasanlagen zur Stromerzeugung mit der Novellierung des EEG im Jahr 2014 auf 100 MW pro Jahr stark limitiert worden. Darin sollen vor allem Reststoffe verwertet werden, um die Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion zu vermeiden.

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