Ausblick: Energiebedarf Deutschlands bis zum Jahr 2050

Abbildung 3 zum Thema Dekarbonisierung bis zum Jahr 2050? - Trendprognose des Primärenergieverbrauchs 2030 und 2050 von Deutschland in Petajoule

Abb. 3 Trendprognose des Primärenergieverbrauchs 2030 und 2050 von Deutschland in Petajoule (Quelle et)

Zur Skizzierung des künftigen Energiebedarfs wird hier auf die Referenzprognose von EWI, GWS und Prognos [16] aus dem Jahr 2014 zurückgegriffen. Demnach würde die relative Bedeutung von Erdgas, welches im Jahr 2017 rund ein Viertel zum Primärenergiemix beitrug (Tab. 3), bis zum Jahr 2050 nicht weiter steigen, weil damals nicht davon ausgegangen wurde, dass Deutschland bis dahin aus der Kohle aussteigen wird. Stattdessen wurde erwartet, dass Steinkohle im Jahr 2050 mit einem Anteil von 9 % am Primärenergiemix noch immer eine nahezu unveränderte Rolle spielen wird – trotz eines deutlich steigenden realen Preises für CO2-Zertifikate, der sich bis 2050 annahmegemäß auf 181 € je t bzw. auf 71 € in Preisen von 2011 erhöht ([16], S. 71).

Tab. 3: Referenzprognose des Primärenergiebedarfs Deutschlands in Petajoule (PJ) nach Energieträgern und Technologien sowie Primärenergiemixe für die Jahre 2030 und 2050 Quellen: [6, 16]
 201720302050201720302050
Steinkohle1.4871.36475211 %13 %9 %
Braunkohle1.5081.26126711 %12 %3 %
Kernenergie833006 %0 %0 %
Mineralöl4.6983.2252.29635 %29 %27 %
Gase3.2302.1582.02324 %21 %24 %
Abfälle2401661522 %2 %2 %
Erneuerbare1.7812.5172.88613 %24 %35 %
Wasserkraft7367671 %1 %1 %
Windkraft3845167513 %5 %9 %
Photovoltaik1442422631 %2 %3 %
Biomasse1.1811.4821.5069 %14 %18 %
Sonst.
Erneuerbare
772102991 %2 %4 %
Sonstige6670 %0 %0 %
Stromimporte-189-191-28100 %100 %100 %
Insgesamt13.59410.4698.356 

Im Gegensatz zur Steinkohle verliert die Braunkohle auch in der Referenzprognose erheblich an Bedeutung, da bis zum Jahr 2050 die Kohlevorräte schrumpfen, die Betriebsgenehmigungen von Tagebauen auslaufen und die CO2-Zertifikatpreise annahmegemäß steigen werden. Demnach würde der Anteil der Braunkohle am Primärenergiemix von 11 % im Jahr 2017 auf 3 % im Jahr 2050 zurückgehen. Mit dem jüngst beschlossenen Kohleausstieg ist davon auszugehen, dass zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit mit Strom die Rolle der Kohle zu großen Teilen vom Erdgas übernommen wird.

Weitgehend unabhängig von einem Kohleausstieg ist damit zu rechnen, dass die Bedeutung der Erneuerbaren weiter steigen wird. Dies ist zum einen den klimapolitischen Anforderungen geschuldet, zum anderen nehmen deren Stromgestehungskosten künftig weiter ab. Nach der Referenzprognose läge der Anteil der Erneuerbaren am Primärenergiemix im Jahr 2050 jedoch lediglich bei 35 % und damit weitaus niedriger, als es für eine weitgehende Dekarbonisierung Deutschlands nötig wäre. Die Gründe dafür liegen u.a. in den begrenzten Möglichkeiten, den Anteil der Biomasse am Primärenergiemix weiter auszubauen. Dennoch werden der Referenzprognose zufolge von der Biomasse künftig die größten absoluten Zuwächse von allen Erneuerbaren erwartet.

Der Zubau an Windkraft- und Photovoltaikanlagen dürfte ebenfalls an Grenzen stoßen. Diese Schlussfolgerung wird durch die Referenzprognose bestätigt (Tab. 3): Danach werden Windkraft und Photovoltaik im Jahr 2050 lediglich einen Anteil am Primärenergieverbrauch von 9 % bzw. 3 % haben. Nicht nur bei der Biomasse, sondern auch bei Windkraft und Photovoltaik stellt der Flächenverbrauch einen wesentlichen begrenzenden Faktor dar. Darüber hinaus ist bei der Errichtung von Windkraftanlagen an Land mit wachsendem Widerstand aus der Bevölkerung zu rechnen. Höhere Beiträge der Windkraft lassen sich wohl vor allem durch einen stärkeren Zubau von Windparks vor den Küsten realisieren.

Ohne gewaltige Technologiesprünge in Bezug auf die heute bekannten alternativen Technologien ist kaum davon auszugehen, dass Deutschland den Anteil der Erneuerbaren am Endenergieverbrauch auf 60 % im Jahr 2050 steigern können wird, wie es als nationales Ziel vorgegeben wurde ([7], S. 142). Zur weitgehenden Dekarbonisierung Deutschlands sind vielmehr neue Technologien erforderlich, mit denen kein Treibhausgasausstoß verbunden ist und die in der Lage sind, große Teile des Energieverbrauchs zuverlässig zu decken. Bislang allerdings zeichnen sich solche Technologien nicht am Horizont ab.

Eine Technologie, die dazu beitragen kann, den Anteil von Mineralöl am Energieverbrauch deutlich zu senken, ist vor allem für den Individual- und Güterverkehr vonnöten. Dies wird aus der Referenzprognose deutlich: Der Anteil von Mineralöl beträgt demnach im Jahr 2050 noch immer 27 % (Tab. 3), obwohl dabei angenommen wurde, dass der reale Ölpreis sich nicht wie in der Vergangenheit tendenziell verringert. Vielmehr wurde unterstellt, dass sich der Ölpreis nominal auf 202 US-$ pro Barrel im Jahr 2030 bzw. auf 335 US-$ pro Barrel im Jahr 2050 erhöht ([16], S. 71).

Offenbar ist man bei der Referenzprognose trotz der Annahme real steigender Ölpreise davon ausgegangen, dass Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor noch lange ihre große Bedeutung im Verkehrssektor behalten würden und Fahrzeuge mit alternativen Antrieben, wie Elektro- oder Wasserstofffahrzeuge, noch viel Zeit für ihre Marktdurchdringung benötigen werden, vor allem weil die Kosten für diese Fahrzeuge hoch sind und nicht schnell genug sinken.

Dies ist umso bemerkenswerter, als für die Referenzprognose davon ausgegangen wurde, dass ab dem Jahr 2020 die Sektoren Verkehr und Wärme in den EU-weiten Emissionshandel integriert werden und die Preise von Kraft- und Brennstoffen einen CO2-Aufschlag entsprechend ihrer CO2-Intensität und den Annahmen für die Entwicklung des CO2-Zertifikatpreises erfahren. Gemäß der Annahme der Referenzprognose steigt der CO2-Zertifikatpreis real auf 40 € je t im Jahr 2030 bzw. 61 € nominal, bis zum Jahr 2050 auf 76 € real und 181 € nominal ([16], S. 71). Um eine Verkehrswende hin zu Fahrzeugen mit alternativen Antrieben zu ermöglichen, müssten demnach die Kosten für diese Fahrzeuge in Zukunft stärker als unterstellt sinken und die CO2- und Ölpreise noch stärker als angenommen steigen.

Ebenso bemerkenswert an der Referenzprognose ist der starke Rückgang des Primärenergieverbrauchs um rund 39 %. Dieser ist wesentlich auf die Annahme einer sinkenden Bevölkerung und einer schrumpfenden Zahl an Haushalten zurückzuführen. So wurde angenommen, dass die Bevölkerung von rund 80 auf 73 Mio. Menschen im Jahr 2050 sinkt ([16], S. 63). Ohne diesen starken Rückgang würde die Erreichung der Klimaschutzziele in noch weitere Ferne rücken.

Diese Annahme dürfte aus mehreren Gründen nicht mehr zutreffen. Erstens setzte nach Entstehen der Referenzprognose eine starke Zuwanderung ein, welche die Bevölkerung in Deutschland in den Jahren 2015 und 2016 um über 1 Mio. Menschen erhöhte. Aus diesem Grund geht u. a. Deschermeier [17] davon aus, dass ein Bevölkerungsrückgang in Deutschland bis zum Jahr 2035 ausbleibt. Zweitens ergab eine Revision der Fortschreibung der Bevölkerungszahl, dass Deutschland etwa 1 Mio. mehr Einwohner hat als zuvor angenommen. Tatsächlich weist das Statistische Bundesamt zum Ende des Jahres 2018 eine Einwohnerzahl von rund 83 Mio. aus [18] und damit rund 3 Mio. mehr Menschen als der Referenzprognose zugrunde liegen.

Als Folge dieser veränderten Bevölkerungsentwicklung ist zu erwarten, dass der Primärenergieverbrauch in den kommenden Jahrzehnten deutlich weniger stark zurückgeht, als es in Tab. 3 dargestellt ist. Eine einfache lineare Trendprognose, die gänzlich von sich verändernden äußeren Faktoren abstrahiert und allein auf die Verbrauchswerte der jüngeren Vergangenheit seit der deutschen Wiedervereinigung zurückgreift, ergibt lediglich einen moderaten Rückgang des Primärenergieverbrauchs bis zum Jahr 2030 um rund 4 % gegenüber 2017 (Abb. 3), von 13.594 PJ auf 13.001 PJ im Jahr 2030. Fortgeschrieben bis zum Jahr 2050 ergibt sich ein weiterer Rückgang um knapp 1.000 PJ auf dann 12.096 PJ.

Angesichts der durch die Bemühungen zur Treibhausgaseinsparung erforderlichen Maßnahmen, nicht zuletzt des im Rahmen des Klimapakets in den Sektoren Verkehr und Wärme eingeführten CO2-Preises, dürfte diese Trendprognose den tatsächlichen Rückgang des Primärenergieverbrauchs unterschätzen, da sie von einer Verteuerung des CO2-Ausstoßes bzw. des fossilen Energieverbrauchs abstrahiert [19]. Sehr wahrscheinlich liegt die künftige Entwicklung des Primärenergieverbrauchs demnach zwischen den beiden Extremen, die durch die Trend- und die Referenzprognose repräsentiert werden.

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