Wachsender Bürgerprotest gegen Windenergie

Die bis hierher angestellten Überlegungen sollen helfen, ein Phänomen zu verstehen, das zurzeit in der deutschen Medienlandschaft beobachtet werden kann. In unserem Land gibt es inzwischen über 1.000 registrierte Bürgerinitiativen gegen die Errichtung von Windkraftanlagen. In Kürze wird es in 10 % aller Gemeinden eine solche Initiative geben.  Das ist Bürger-protest in einer Breite, wie sie in Deutschland nur ganz selten vorkommt. Merkt der in der Stadt lebende Zeitungsleser und Fernsehzuschauer etwas davon? Wohl kaum, denn berichtet wird über den Kampf der Bürger gegen die Windkraft nur sehr selten. Und die Argumente, derer sich die Gegner der Windkraft bedienen, sind weder in Talkshows zu hören, noch in den meisten Zeitungen zu lesen. Nein, der Protest gegen den Ausbau der Windkraft wird nicht seiner Bedeutung entsprechend in den Medien gewürdigt. Von der Politik ganz zu schweigen, was die Frage aufwirft, ob sich die Medien nicht dafür interessieren, weil es der Politik egal ist, oder es der Politik egal ist, weil die Medien darüber nicht berichten.

Nun ist es nicht so, dass Bürgerbewegungen oder -protest grundsätzlich kein Echo in den Medien finden. Ganz im Gegenteil. Die Proteste gegen die Atomkraft waren ein Medienereignis ersten Ranges. Oder die Proteste gegen Stuttgart 21! Nicht zu vergessen der Kampf gegen die Startbahn West des Frankfurter Flughafens. Das letzte Beispiel ist besonders interessant. Dort ging es um den möglichen Verlust von Waldflächen, die für die Startbahn geopfert werden sollten, und um Lärmschutz für die Anwohner. Das dürfte den meisten Mitgliedern von AWK (Anti-Windkraft) -Initiativen bekannt vorkommen, denn dort geht es auch um den Schutz von Landschaft (oft genug Wäldern) und um Lärmemissionen (einschließlich der Infraschallproblematik). Der Unterschied zur Startbahn West ist der Faktor 1.000.

Kein Protest gegen „gute Energie“ in den Medien

Warum aber bekam beispielsweise die Anti- Atomkraft-Bewegung so viel Aufmerksamkeit und die Anti-Windkraft-Initiativen so wenig? Die Antwort ist einfach: Erstere kämpften gegen die „böse“ Atomkraft und letztere kämpfen gegen die „gute“ Energie aus erneuerbaren Energiequellen. Wobei „gut“ und „böse“ Wertungen sind, die sich in der Berichterstattung als unumstößlich festgesetzt haben.  Wie würden wir mit der Atomkraft umgehen, wenn nicht „feststehen“ würde, dass sie böse ist? Vermutlich käme dennoch niemand auf die Idee, neue AKWs zu bauen, denn die sind zu teuer und das Endlagerproblem ist nicht gelöst. Aber vielleicht würden wir noch einmal darüber nachdenken können, ob es wirklich eine gute Idee ist, die AKW so schnell abzuschalten, die sich als zuverlässig und sicher erwiesen haben und die CO2-frei grundlastfähigen Strom erzeugen? Aber diese Gedanken sind im gesellschaftlichen Diskurs nicht möglich, denn Atomkraft ist nun einmal „böse“.

Und warum ist die Windkraft „gut“? Das gängige Argument geht so: Nur die Erneuerbaren retten uns vor dem Klimawandel, deshalb sind sie alterativlos. Diejenigen, die sich dagegen wehren, sind im Prinzip auch für die Erneuerbaren, aber „not in my backyard“. Aber Opfer müssen nun einmal gebracht werden und irgendwen trifft es dann halt. Dieses Argument ist merkwürdig und es ist falsch. Merkwürdig ist daran, dass man den Menschen vorwirft, dass sie sich dagegen wehren, dass sie als lokal Betroffene Schäden an ihrer Gesundheit, den Verlust einer landschaftlich intakten Heimat und massive Vermögensverluste hinnehmen sollen. Die Bürgerproteste gegen Atommülllager oder die Startbahn West fanden ebenfalls vor Ort statt und die Sorgen waren ganz ähnlich.

Nimmt man das eine ernst, muss man auch das andere als legitim ansehen. Dazu kommt, dass es einen bedeutsamen Unterschied zwischen Atomkraft und Windkraft gibt. Die Gefahren der Atomkraft treten dann auf, wenn schwerwiegende Störungen auftreten. Die Gefahren der Windkraft treffen die Anwohner beim normalen Betrieb der Anlagen.  Damit es zu gesundheitlichen Schäden kommt, muss einen WKA nicht zu Bruch gehen. Es reicht, dass sie ihre ganz normale Arbeit verrichtet. Denn Windkraft ist unweigerlich mit massiven externen Effekten verbunden. Ein Begriff, der im Zusammenhang mit der Atomkraft sehr häufig bemüht wird, im Zusammenhang mit Erneuerbaren aber tabu zu sein scheint.

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