Versorgungsrisiken Deutschlands bei Rohöl, Erdgas und Steinkohle

Energieversorgungssicherheit: Rohstoffspezifische Risiken bei der Versorgung Deutschlands mit Erdöl, Erdgas und Steinkohle (nach [2])

Abb. 1 Rohstoffspezifische Risiken bei der Versorgung Deutschlands mit Erdöl, Erdgas und Steinkohle (nach [2])

Energieversorgungssicherheit: Entwicklung der Anteile diverser Herkunftsländer an der Gasversorgung Deutschlands

Abb. 2 Entwicklung der Anteile diverser Herkunftsländer an der Gasversorgung Deutschlands

Im Jahr 2021 betrug Deutschlands Energie-Importabhängigkeit rund 70 %. Die Erdgasversorgung beruhte im Jahr 2021 mit einem Importanteil von rund 55 % zu etwas mehr als der Hälfte auf Lieferungen aus russischen Gasfeldern. Mit Inbetriebnahme der Pipeline Nord Stream 1 im Jahr 2011 ist die Abhängigkeit von Importen im vergangenen Jahrzehnt weiter stark angestiegen: Von einem Importanteil von rund 32 % im Jahr 2010 über einen Anteil von rund 39 % in 2015 auf etwa 55 % in 2021 (Abb. 2). Der heimische Beitrag zu Deutschlands Versorgung mit Erdgas ist in den vergangenen Jahren dagegen weiter gefallen.

Die mit dem hohen Anteil an russischen Gasimporten verbundene Abhängigkeit wird dadurch verschärft, dass Russland auch bei der Versorgung Deutschlands mit Rohöl und Steinkohle jeweils die mit großem Abstand führende Rolle einnahm. So betrug der Anteil Russlands an der Rohölversorgung Deutschlands 2021 rund ein Drittel und bei der Versorgung mit Steinkohle knapp 50 %.

Energieversorgungsrisiken der G7-Staaten im Vergleich

Das Energieversorgungsrisiko Japans und Frankreichs lag entsprechend dem Indikator von Frondel und Schmidt im Jahr 1980 deutlich höher als das von Deutschland. Beiden Ländern gelang es in der Zwischenzeit jedoch, ihre Energieversorgungssicherheit zu erhöhen und ihre damals sehr hohe Abhängigkeit von Erdöl zu verringern – auf Anteile, die heute unter 40 % bei Japan bzw. unter 30 % bei Frankreich liegen. Zudem hat Frankreich die Kernkraft massiv ausgebaut.

Italien hingegen hat den Einsatz der Kernkraft in den 1980er Jahren gänzlich aufgegeben und kann – im Gegensatz zu Deutschland – auch nicht auf heimische Vorräte an Braunkohle zurückgreifen. Stattdessen ist Italien stark abhängig von Erdgas und entsprechenden Importen. So wurde der Primärenergiebedarf Italiens in den vergangenen Jahren zu rund 40 % durch Erdgas gedeckt, von dem rund 40 % aus Russland importiert wurden. Dies erklärt, warum Italien neben Deutschland unter den G7-Ländern das höchste Risiko bei der Versorgung mit Energierohstoffen aufweist. Die Hauptursachen dafür liegen in der fehlenden Diversifikation bei den Primärenergieträgern im Energiemix sowie bei den Importen an fossilen Rohstoffen, insbesondere Erdgas.

Zu den beiden G7-Ländern mit den geringsten Energieversorgungsrisiken gehören Kanada und die USA – nicht zuletzt, weil diese Länder auf ihre eigenen Energieressourcen zurückgreifen können. So gewinnt Kanada dank seiner großen Reserven an Erdöl und Erdgas mehr fossile Energierohstoffe, als es selbst benötigt. Im Jahr 2020 exportierte Kanada fast die Hälfte seiner im Inland geförderten Energierohstoffe [4]. Erdgas ist zum wichtigsten Primärenergieträger in Kanada geworden. Auch die USA sind dank der sog. Shale Revolution, die durch die Kombination aus der Horizontalbohrtechnologie und hydraulischem Fracking ermöglicht wurde, zum Nettoexporteur von fossilen Energierohstoffen geworden. Aktuell sind die USA weltweit der größte Förderer von Erdöl und -gas und spielen aufgrund der Erdgasexporte international eine führende Rolle in der globalen Energieversorgung [5].

Insgesamt ist das Versorgungsrisiko mit Energierohstoffen in jenen G7-Ländern am niedrigsten, die sich, zusätzlich zum Erneuerbaren-Ausbau, vollkommen selbst mit Erdöl, Erdgas und Kohle versorgen können. Dies trifft sowohl auf Kanada als auch auf die USA zu. Umgekehrt ist tendenziell das Versorgungsrisiko in jenen Ländern am höchsten, die mangels ausreichender eigener Reserven den allergrößten Teil an Energierohstoffen importieren müssen. Zu diesen energierohstoffarmen Ländern zählen insbesondere Japan, Italien und Frankreich.

Verflüssigtes Erdgas (LNG)

Eine Alternative zu russischem Erdgas stellt verflüssigtes Erdgas (LNG) dar. Über LNG-Terminals kann Deutschland Erdgas aus Regionen beziehen, die durch Gasleitungen nicht zu erreichen sind, etwa aus Katar oder den USA. Allein durch die beiden geplanten stationären LNG-Terminals in Brunsbüttel und Stade könnten bis zu knapp 20 % des jährlichen Erdgasverbrauchs in Deutschland von rund 95 Mrd. m³ gedeckt werden [6]. Voraussetzung dafür wären allerdings ausreichende LNG-Lieferungen aus den USA, Katar und anderen Staaten. Außerdem würden die neuen LNG-Terminals nur dann stark ausgelastet, wenn der Erdgaspreis in Europa auch künftig hoch bleibt, denn LNG hat bedingt durch die Umwandlung vom gasförmigen in den flüssigen Zustand bei sehr niedrigen Temperaturen von bis zu –164 Grad Celsius, den Transport per Schiff und die anschließende Regasifizierung in der Regel einen Kostennachteil gegenüber gasförmigem Erdgas, das per Pipeline geliefert wird. Aus diesen Gründen wird LNG am Gasmarkt oft zu deutlich höheren Preisen gehandelt. So werden die LNG-Preise insbesondere durch die Nachfrage der asiatischen Abnehmer bestimmt, die, wie z. B. Japan, nicht an Pipelines angebunden sind.

Die Importpreise für LNG, die Japan zu bezahlen hat, sind traditionell deutlich höher als die Erdgaspreise in Europa, welche aufgrund der günstigeren Transportkosten aus den Lieferländern Norwegen, den Niederlanden und Russland in der Vergangenheit erheblich niedriger ausgefallen sind. So lagen die LNG-Importpreise für Japan im Jahr 2020 doppelt so hoch wie die mittleren Einfuhrpreise für Erdgas in Deutschland. Erst in jüngster Zeit sind die Erdgaspreise in Europa massiv gestiegen.

Ein möglicher Schritt auf dem Weg zur Reduzierung der Abhängigkeit von russischem Erdgas wäre, den Gasverbrauch in Deutschland zu verringern, etwa durch Effizienzsteigerungen oder im Stromerzeugungssektor durch den stärkeren Ausbau der erneuerbaren Energien. Perspektivisch ist damit zu rechnen, dass fossiles Erdgas durch erneuerbaren Wasserstoff, Wasserstoffderivate, synthetisches Methan und andere CO­2-arme Gase substituiert wird. Allerdings werden CO2-neutrale und erneuerbare Gase vor allem in naher Zukunft vergleichsweise teuer bleiben. Ausschlaggebend für die Preise synthetischer Gase werden die Preise der Eingangsstoffe Strom und Erdgas sein.

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