Bedeutung von mineralischen und metallischen Rohstoffen für die Energiewende

Energieversorgungssicherheit: Kritikalität der für Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen benötigten Rohstoffe anhand von Angebotskonzentration (HHI) und Länderrisiko der Produktionsländer sowie Anteile der größten Produktionsländer im Jahr 2018

Abb. 3 Kritikalität der für Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen benötigten Rohstoffe anhand von Angebotskonzentration (HHI) und Länderrisiko der Produktionsländer sowie Anteile der größten Produktionsländer im Jahr 2018

Neben der Versorgungssicherheit mit Energierohstoffen spielt bei der Betrachtung von Deutschlands Energieversorgungssicherheit auch die Verfügbarkeit von nicht-energetischen Metallen und Seltenen Erden eine zunehmend wichtige Rolle. So erfordern etwa die Produktion und Installation vieler erneuerbarer Energietechnologien und -anlagen eine Reihe mineralischer und metallischer Rohstoffe. Die Energiewende ist damit eng mit hohen Rohstoffbedarfen verknüpft.

Die Deutsche Rohstoffagentur (DERA) in der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) beobachtet und bewertet die internationalen Märkte metallischer Rohstoffe kontinuierlich (Abb. 3). Ein Großteil der Märkte der für Windkraft- und Photovoltaik (PV)-Anlagen benötigten Rohstoffe ist hochkonzentriert und die Metalle kommen überwiegend aus Ländern mit mittlerem gewichteten Länderrisiko. Diese Konstellation kann zu einem erhöhten Preis- und Lieferrisiko führen.

Durch die Ausübung von Marktmacht bedeutender Produktionsländer, z. B. durch die Einführung von Förderquoten oder den Auf- und Ausbau von Handelsbarrieren, kann es daher zu Preiserhöhungen und Lieferausfällen kommen. Besonders hohe Marktkonzentrationen weisen Gallium, Germanium und die Seltenen Erden auf. Diese Rohstoffe kommen zum überwiegenden Teil aus China. Wie das Beispiel der Seltenen Erden in der Vergangenheit zeigte, nutzt China seine Quasi-Monopolstellung, um Produktionsmengen und damit auch die Preise zu bestimmen. Das Land misst den Seltenen Erden eine strategische Bedeutung bei und kontrolliert über Produktionsquoten den Bergbau sowie die Weiterverarbeitung im eigenen Land.

Stromversorgungssicherheit

Deutschlands Stromversorgung steht vor großen Herausforderungen. Erstens: Durch den gesetzlich festgelegten Kernenergieausstieg gehen im Vergleich zum Jahr 2020 Kapazitäten im Umfang von rund 8 GW Nettoleistung vom Netz. Zweitens: Der mit dem Kohleverstromungsbeendigungsgesetz beschlossene ordnungsrechtliche Ausstieg aus der Kohleverstromung in Deutschland stellt vor dem Hintergrund des Kernenergieausstiegs und potenzieller Gasknappheiten eine besondere Herausforderung dar.

Der Kohleausstieg soll spätestens bis zum Jahr 2038 abgeschlossen sein. Das bedeutet, dass 42,6 GW Kohlekraftwerkskapazitäten, die im Jahr 2017 rund 241 Mrd. kWh Strom produzierten und damals knapp 37 % zur Stromerzeugung beitrugen [7], abgeschaltet und ersetzt werden müssen. Sofern die energie- und betriebswirtschaftlichen sowie beschäftigungspolitischen Voraussetzungen vorliegen, kann das Ausstiegsdatum in Verhandlungen mit den Betreibern vorgezogen werden.

Wenn die konventionellen Kapazitäten nicht mehr ausreichend zur Verfügung stehen, wäre man zur Deckung der Spitzenlast, die im Winter in Deutschland bei über 80 GW liegt, auf Stromimporte, Pumpspeicher, Lastmanagement und den Beitrag der erneuerbaren Technologien dringend angewiesen. Hierbei besteht die Gefahr, dass dies alles nicht in ausreichendem Maße verfügbar ist, denn Windkraft- und PV-Anlagen tragen nur in geringem Umfang zur gesicherten Leistung bei [8]. Diese Beiträge liegen statistisch betrachtet zwischen 0 % (PV) und 5 % (Wind). Da die höchste Last (Stromnachfrage) typischerweise im Herbst und Winter auftritt, wenn es dunkel ist und die PV keinen Beitrag leisten kann, müsste bei länger andauernder Windflaute nahezu die gesamte Last durch Importe und vor allem heimische konventionelle Kraftwerke gedeckt werden. Zu diesem Zweck wurde im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung auf den zunehmenden Einsatz bestehender sowie den Zubau neuer, wasserstofffähiger Erdgaskraftwerke gesetzt, die anstelle der abgeschalteten Kohlekraftwerke die Sicherung der Versorgung mit Strom übernehmen sollen.

Insbesondere bei einem, ebenfalls im Koalitionsvertrag festgehaltenen, Vorziehen des Kohleausstiegs auf idealerweise das Jahr 2030 würde der Bau zahlreicher neuer, wasserstofffähiger Erdgaskraftwerke erforderlich sein. So hat das Energiewirtschaftliche Institut an der Universität zu Köln (EWI) im Dezember 2021 berechnet, dass Deutschland zusätzliche Gaskraftwerke mit einer Kapazität von 23 GW braucht, um schon im Jahr 2030 aus der Kohle aussteigen zu können [9]. Andere Studien, etwa die des Beratungsunternehmens Boston Consulting Group (BCG), kommen zum Ergebnis, dass zur Gewährleistung der Stromversorgungssicherheit in der Dekade bis 2030 sogar ein Zubau von 43 GW an Erdgaskraftwerken erforderlich sei [10]. Dafür wären Investitionen in Höhe von 48 Mrd. € nötig. Bei einer im Jahr 2021 installierten Nettonennleistung an Erdgaskraftwerken von knapp 32 GW würde eine zusätzliche Leistung von 23 bis 43 GW einen massiven Zubau an Erdgaskraftwerken bedeuten.

Fazit

Im Ergebnis zeigt sich, dass das Risiko der Versorgung mit Energie in Deutschland seit dem Ende der 1970er Jahre gestiegen ist, trotz der deutlichen Zunahme des Anteils der Erneuerbaren am Primärenergiemix auf aktuell rund 16 %. Der Anstieg des Versorgungsrisikos geht nicht zuletzt auf die starke Zunahme der Rohöl-, Steinkohle- und Erdgasimporte aus Russland bei einem gleichzeitigen Rückgang der heimischen Anteile an der Versorgung mit diesen Energieträgern zurück. Zur Erhöhung der Versorgungssicherheit mit Energie ist eine Diversifizierung der Importe von Energierohstoffen aus einer Vielzahl an Bezugsländern sowie ein möglichst breiter Mix an Energierohstoffen und -technologien erforderlich.

Deutschlands Energieversorgungssicherheit ist zudem stets im europäischen Zusammenhang zu betrachten und keine rein nationale Angelegenheit. In dem Zuge ist auch die Bedeutung internationaler Partnerschaften – z. B. im Bereich Wasserstoff und Derivate – sowie von europäischer Kooperation und Koordination hervorzuheben. Nicht zuletzt dienen auch kosteneffiziente Maßnahmen zur Verringerung des Energieverbrauchs und zur Steigerung der Energieeffizienz der Verbesserung der Versorgungssicherheit.

Quellen

[1] Vgl. World Energy Council: World Energy Trilemma Index | 2021, London 2021, S. 11.

[2] Vgl. Frondel, M.; Schmidt, C. M.: Am Tropf Russlands? Ein Konzept zur empirischen Messung von Energieversorgungssicherheit, in: Perspektiven für Wirtschaftspolitik 10(1)/2009, S. 79-91.

[3] Für nähere Informationen zum Indikator und zu der Messung des Energieversorgungsrisikos siehe Weltenergierat – Deutschland e.V.: Energie für Deutschland. Fakten, Perspektiven und Positionen im globalen Kontext | 2022, Berlin 2022, S. 13.

[4] Vgl. Internationale Energieagentur (IEA): Canada 2022 – Energy Policy Review, Paris 2022.

[5] Vgl. Frondel, M.; Horvath, M.: he U.S. Fracking Boom: Impact on Oil Prices, in: Energy Journal, 40, 4/2019, S. 191-205.

[6] Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK): FAQ-Liste LNG-Terminal in Deutschland, 06.03.2022, S. 3, abrufbar unter www.bmwk.de (zuletzt abgerufen am 04.11.2022).

[7] Vgl. Frondel, M.: Dekarbonisierung bis zum Jahr 2050? Klimapolitische Maßnahmen und Energieprognosen für Deutschland, Österreich und die Schweiz. Zeitschrift für Energiewirtschaft, 44 (3) 2021, S. 195-221.

[8] Vgl. Schiffer, H.-W.: Zur energiewirtschaftlichen Notwendigkeit der Braunkohle für die Energieversorgung in Deutschland. Zeitschrift für Energiewirtschaft 43 (2)/2019, 71-84.

[9] Vgl. Energiewirtschaftliches Institut an der Universität zu Köln gGmbH (EWI): Auswirkungen des Koalitionsvertrags auf den Stromsektor 2030, 06.12.2021, abrufbar unter https://www.ewi.uni-koeln.de (zuletzt abgerufen am 09.11.2022).

[10] Vgl. Boston Consulting Group (BCG), Klimapfade 2.0. Ein Wirtschaftsprogramm für Klima und Zukunft. Gutachten für den BDI. Boston Consulting Group, Berlin 2021, S. 236.

Dr. C. Rolle, Geschäftsführer, P. Schölermann, Senior Manager, Weltenergierat – Deutschland e.V., Berlin, rolle@weltenergierat.de, schoelermann@weltenergierat.de

Der Beitrag stellt eine Kurzfassung des von Prof. Dr. Manuel Frondel verfassten Schwerpunktkapitels der „Energie für Deutschland 2022“ des Weltenergierat – Deutschland dar (abrufbar unter www.weltenergierat.de/publikationen/energie-fuer-deutschland/).

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