Faktoren der EU-Gasversorgungssicherheit und ihre LNG-Nachfrage

Abb. 1 Neue LNG-Regasifizierungskapazität (2022-2025) und LNG-Kapazitätsauslastung (2010-2022)

Abb. 1 Neue LNG-Regasifizierungskapazität (2022-2025) und LNG-Kapazitätsauslastung (2010-2022) Quelle: GIS/Eurasia Group 2023

Abb. 2 Stand der LNG-Produktmarktöffnung am 3. Januar 2023

Abb. 2 Stand der LNG-Produktmarktöffnung am 3. Januar 2023 (Quelle: Eurasia Group 2023)

Die akute europäische Energiekrise von 2022 scheint zumindest teilweise ihre Brisanz verloren zu haben. Die Gas- und Strompreise sind deutlich gefallen, bleiben aber im historischen Vergleich hoch. Die LNG-Importe waren im Winter ausreichend gesichert, und die deutschen Gasspeicherkapazitäten sind mit rund 64 % im März im Vergleich zu den Vorjahren saisonal hoch, so dass bis zum Herbst die zusätzliche Beschaffungsmenge von LNG zur Auffüllung der Gasspeicher für den nächsten Winter reduziert wird. Die EU hat es zum Leidwesen des Kremls geschafft, den russischen Gaserpressungsversuchen zu widerstehen und die europäische Gas- und Energiesicherheit trotz aller Probleme zu stärken. Zu Beginn des neuen Jahres waren die europäischen Erdgaspreise um mehr als 75 % von ihrem Höchststand bis zum 26. August 2022 gesunken, nachdem die durchschnittlichen Spotpreise zeitweise sechsmal so hoch waren wie in der Vergangenheit (s. Abb. 3)
 
In diesem Jahr werden die USA Europas größter Gaslieferant werden und damit Russland ablösen. Auch global werden die USA Katar als weltweit größten LNG-Exporteur schneller als bisher erwartet überflügeln. Die USA waren zudem der einzige Gasproduzent weltweit, der seine Gasproduktion und seine LNG-Exporte in den letzten zwei Jahren deutlich steigern konnte.

Im Jahr 2022 hatte der flexible globale LNG-Markt wesentlich zu steigenden europäischen LNG-Importen beigetragen, da die USA, Katar und afrikanische Exporteure Lieferungen nach Europa erhöht und auch häufig umgeleitet haben. Bis 2025 werden neu hinzugekommene LNG-Importkapazitäten jedoch im Gegensatz zu den Folgejahren sehr begrenzt sein und die Balance zwischen Angebot und Nachfrage kaum verbessern, so dass auch größere Preissenkungen auf ein Niveau wie 2021 kaum realistisch sind (s. Abb. 4).

Die EU profitierte im letzten Jahr auch von der Entscheidung Chinas, seine LNG-Importe im vergangenen Jahr um 21 % (rund 20 bcm/y) zu senken (im Gegensatz zu seinem ursprünglichen Plan, seine LNG-Importe um fast 20 % zu erhöhen). Dies war jedoch kein geopolitischer Gefallen an die EU, sondern Resultat der präzedenzlos hohen globalen LNG-Preise und der chinesischen Regierung, den LNG-Import zu reduzieren, statt auszubauen und auf einen viel billigeren Kohleverbrauch zulasten der globalen Klimaschutzpolitik zu setzen.
 
Auch für dieses Jahr ist China die wichtigste „Wild Card“ für die weltweite Entwicklung der LNG-Nachfrage mit einem Unsicherheitsfaktor von bis zu 40 bcm. Jeder größere Anstieg der LNG-Importe in China erhöht die Unsicherheit, ob die EU rechtzeitig für den nächsten Winter neue ausreichende LNG-Lieferungen auf den Spotmärkten kurzfristig abschließen kann. So geht die IEA davon aus, dass China in diesem Jahr rund 80 % der in diesem Jahr global zur Verfügung stehenden zusätzlichen 23 bcm importieren wird.

Zudem haben deutsche und andere europäische Gasunternehmen aufgrund der Unsicher¬heiten der EU-Gasnachfrage bis 2030 einen erheblichen Wettbewerbsnachteil auf dem globalen LNG-Markt. Zwar sind sie in einem globalen Bieterwettstreit fähig, höhere LNG-Preise als viele ihrer weltweiten Konkurrenten zu bezahlen und konnten daher auch im letzten Jahr große zusätzliche Mengen kurzfristig auf dem Weltmarkt einkaufen. Allerdings sind viele LNG-Exporteure, die Milliardeninvestitionen in neue Gasfelder und Gasinfrastrukturen für den Export investieren müssen, primär interessiert, neue langfristige Exportverträge für ihre LNG-Ausfuhren abzuschließen. So sind europäische Gasimporteure mit Blick auf die geplante Gasverbrauchsreduzierung um bis zu 40 % bis 2030 nur bereit, für 8-10 Jahre neue LNG-Importverträge zu unterzeichnen. Demgegenüber hat China z.B. im Oktober und November letzten Jahres derartige LNG-Importverträge sogar für 27 und 30 Jahre mit Katar abgeschlossen.

Vor diesem Hintergrund hofft die EU, dass ihre neu etablierte gemeinsame Gasbeschaffungsplattform, die vor dem nächsten Sommer ihren Betrieb aufnimmt, in den kommenden Monaten auch die Koordinierung der Nachfragebündelung und des gemeinsamen Einkaufs von zunächst jährlich 24 bcm erleichtern wird, was auch zuverlässige Preisbenchmarks schaffen könnte.

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