Reaktionen wichtiger Handelspartner sind gemischt

Der CBAM-Vorschlag der EU hat seit Verkündung des Green Deal im Jahr 2019 weltweit viel Aufmerksamkeit erhalten. Die bisherigen Reaktionen reichen dabei von Skepsis über offene Ablehnung bis hin zum Interesse an einer Kooperation bei der Ausgestaltung eines solchen Grenzausgleichsmechanismus. Russland zweifelte bereits im Jahr 2020 an, dass die Pläne der EU-Kommission mit den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) konform sind. Das Land wäre aufgrund seiner Stahl-, Eisen- und Stromexporte in die Union voraussichtlich stark von einer CO2-Abgabe betroffen. Auch die USA zeigten sich über die Pläne der Kommission beunruhigt und warnten vor einer einseitigen Einführung durch die EU.

Von vielen Ländern Asiens werden die CBAM-Pläne als Protektionismus gewertet. Eine bereits im März 2021 von der Konrad-Adenauer-Stiftung veröffentlichte Studie untersuchte die Wahrnehmung des geplanten Mechanismus in acht Staaten im asiatisch-pazifischen Raum, darunter China, Indien, Japan und Südkorea als vier der zehn wichtigsten Importpartner der EU [5]. Die Erhebung stützt sich auf Interviews mit 70 lokalen Experten und Stakeholdern aus dem Bereich Regierung, Wissenschaft, Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft, die zwischen November 2020 und Januar 2021 geführt worden sind.

Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass ein EU-CBAM in China beispielsweise kritisch gesehen wird. Die konkrete Reaktion werde voraussichtlich jedoch davon abhängen, ob das chinesische Emissionshandelssystem als gleichwertig mit der CO2-Bepreisung in der Union angesehen werden wird. Chinas Staatspräsident Xi Jinping mahnte in einem Gespräch mit Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel 2021 zudem davor, den Klimaschutz als Vorwand für weitere Handelsbarrieren zu nutzen.

Von vielen indischen Stakeholdern werden die unilateralen EU-Pläne als protektionistisch empfunden. Auch Australien hat der Union im Zusammenhang des geplanten Mechanismus in der Vergangenheit Handelsprotektionismus vorgeworfen. Aus Südkorea und Singapur sei dagegen kaum Widerstand zu erwarten. Südkorea verfügt bereits über ein eigenes ETS. Hier wäre zu prüfen, inwiefern sich dieses im Rahmen des CBAM anrechnen lässt. Singapur könnte eine CO2-Grenzabgabe sogar dazu motivieren, die Treibhausgasreduktionen schneller voranzutreiben, weil die EU der drittwichtigste Handelspartner ist. Voraussetzung ist jedoch, dass der geplante Mechanismus mit internationalen Regeln vereinbar ist.

Fragen der WTO-Konformität

Die WTO ist die wichtigste Instanz zur Klärung handelsrechtlicher Konflikte. Da sie grundsätzlich allen Mitgliedern die Möglichkeit einräumt, gegen ein unilaterales EU-Grenzausgleichssystem zu klagen, ist die Konformität mit den Regeln der WTO eine Grundvoraussetzung für das ordnungsgemäße Funktionieren eines CBAM in der Praxis.

Im Regelwerk der WTO ist besonders ein multilaterales Abkommen von Bedeutung: das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (GATT). Das GATT fixiert zwei Grundprinzipien: die allgemeine Meistbegünstigung (Artikel I) und die Inländergleichbehandlung (Artikel III). Der Grundsatz der Meistbegünstigung legt fest, dass ein WTO-Mitglied alle Partner im Handel gleich behandeln muss. Werden einem Land Vorteile gewährt, müssen diese auch für die anderen Handelspartner gelten. Auf den CBAM übertragen bedeutet dies, dass zwei gleichartige Produkte aus unterschiedlichen WTO-Staaten bei der Einfuhr in die EU nicht aufgrund des Herkunftslandes benachteiligt werden dürfen. Die Begünstigung von Handelspartnern, die über vergleichbare Mechanismen zur CO2-Bepreisung wie die EU verfügen, könnte beispielsweise als Verstoß gegen den Grundsatz der Meistbegünstigung betrachtet werden. Das Inländerprinzip schreibt fest, dass mit nationalen Waren nicht anders verfahren werden darf als mit ausländischen Waren. Ein EU-CBAM darf ein Importprodukt also nicht mit höheren CO2-Kosten belasten als ein gleichartiges Produkt, das in der EU produziert und gehandelt wird.

Sollte es der EU nicht möglich sein, die Konformität des geplanten Grenzausgleichssystems mit den Artikeln I und III des GATT zu beweisen, könnte sie sich auch auf allgemeine Ausnahmeregeln (Artikel XX) berufen. Artikel XX ermöglicht es WTO-Mitgliedern etwa, gegen geltende WTO-Regeln zu verstoßen, wenn dies zum Schutz des Lebens oder der Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen erforderlich ist. Ein CBAM müsste also als notwendig für den Schutz der EU-Bevölkerung oder der EU-Flora und -Fauna dargestellt werden. Inwiefern diese Argumentation greift, müsste sich in der Praxis zeigen. Unterstützend könnte hier wirken, die Einnahmen aus dem Grenzausgleichsmechanismus konsequent für Klimaschutzmaßnahmen zu verwenden. Bislang plant die EU allerdings, die CBAM-Erlöse dem allgemeinen Haushalt zur Verfügung zu stellen. Dieses Vorgehen könnte dem Artikel XX GATT entgegenstehen.

Fazit

Der von der Europäischen Kommission geplante CO2-Ausgleich an den Grenzen der EU bedeutet in erster Linie eine Erweiterung der EU-Klima- und Industriepolitik. Solange das Risiko von Carbon Leakage in Drittländer ohne vergleichbare CO2-Bespreisung besteht, kann das EU ETS nicht effektiv wirken.

Grenzausgleichsmechanismen können grundsätzlich dazu geeignet sein, das Risiko von Carbon Leakage zu verringern, allerdings ist ihre Umsetzung in der Praxis mit Herausforderungen verbunden. Die Nachverfolgung von Emissionen bei der Herstellung eines Produkts in Drittländern ist komplex und erfordert erheblichen administrativen Aufwand. Auch sehen viele Handelspartner der EU dem Vorhaben skeptisch bis ablehnend entgegen. Um das Risiko von Handelskonflikten zu verringern, muss ein unilateraler CO2-Grenzausgleich daher mit den Regeln der WTO konform ausgestaltet sein.

Der CBAM-Vorschlag könnte aber gleichzeitig, auch mit Blick auf die Klimakonferenz in Glasgow im November 2021, einen Impuls für eine Diskussion um die künftige Ausrichtung einer effektiven globalen Klimapolitik geben. Er stellt für die EU eine Chance dar, in einen intensiven Dialog mit Handelspartnern zu treten und über Ansätze zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen entlang der Wertschöpfungskette zu beraten. Es gilt daher, Chancen und Risiken eines CO2-Grenzausgleichssystems gegeneinander abzuwägen und in Kooperation mit internationalen Partnern gemeinsam ein schrittweises Vorgehen zu vereinbaren.

Quellen

[1] Vgl. World Economic Forum/Boston Consulting Group: Net-Zero Challenge: The supply chain opportunity, Insight Report January 2021, Cologny/Genf 2021, S. 12.
[2] Vgl. Weltenergierat – Deutschland e.V.: Energie für Deutschland 2021. Fakten, Perspektiven und Positionen im globalen Kontext | 2021, Berlin 2021, S. 25.
[3] Vgl. COM(2021) 564 final vom 14.07.2021.
[4] Art. 3 (16) COM(2021) 564 final vom 14.07.2021.
[5] Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.: Perception of the Planned EU Carbon Border Adjustment Mechanism in Asia Pacific – An Expert Survey, Hongkong 2021.

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Dr. C. Rolle, Geschäftsführer, M. Kusch, Senior Managerin, Weltenergierat – Deutschland e.V., Berlin
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