Aktuelle Situation – Stromerzeugungsleistung und -nachfrage in Deutschland

Abb. 1 Stromerzeugung und -verbrauch in Deutschland am 01.-14.09.2021

Abb. 1 Stromerzeugung und -verbrauch in Deutschland am 01.-14.09.2021

Abb. 2 Installierte und gesicherte Leistung (15.11.2021)

Abb. 2 Installierte und gesicherte Leistung (15.11.2021)

Im Jahr 2021 existierte in Deutschland eine installierte Stromerzeugungsleistung von netto 232,7 GW [3]. Davon entfielen mit 134,0 GW knapp 58 % auf Erneuerbare-Energien- und mit 98,7 GW gut 42 % auf konventionelle Anlagen. Von der insgesamt installierten Leistung sind 10,5 GW Kraftwerke außerhalb des Strommarktes. Das sind Braunkohlenblöcke in Sicherheitsbereitschaft, systemrelevante Anlagen auf Basis Steinkohle, Erdgas und Mineralölprodukte, die nur auf Anforderung der Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) zu Zwecken der Wahrung der Versorgungssicherheit betrieben werden (Netzreserve), und vorläufig stillgelegte Anlagen vor allem auf Basis Erdgas.

Die Netto-Leistung der Stromerzeugungsanlagen am Strommarkt betrug mit Stand 15.11.2021 entsprechend 222,3 GW. Davon entfallen 88,2 GW auf konventionelle und 134,0 GW auf Erneuerbare-Energien-Anlagen (Tab. 1). Die in Deutschland in den letzten Jahren erreichte, von den ÜNB gemessene höchste Last, die in der Regel am frühen Abend eines Wintermonats (und außerhalb der Feiertagssaison) auftritt, beträgt etwa 80 GW. Nach Angaben der Bundesnetzagentur wurde die Höchstlast im Jahr 2021 am 30.11. im Zeitraum von 11:45-12:00 mit insgesamt 81.368 MW erreicht. Im Jahr 2020 lag die Höchstlast bei 79.480 MW am 03.12. um 17:45-18:00. Diese „Lastmessung“ auf Basis von stündlichen Produktionsdaten der ÜNB ist für Deutschland aber nicht komplett. Grund dafür sind Industriekraftwerke, deren Produktion nicht in das öffentliche Netz eingespeist wird. Schätzungen beziffern die fehlenden Mengen auf 5-10 % der stündlich gemessenen Nachfrage, so dass die tatsächliche Spitzenlast aktuell bei ca. 85 GW liegen dürfte.

Für die Sicherheit der Versorgung ist maßgeblich, in welchem Umfang Stromerzeugungsleistung zum Zeitpunkt der Höchstlast als sicher verfügbar unterstellt werden kann.

Der Anteil der gesicherten an der installierten Leistung ist bei den verschiedenen Technologien unterschiedlich hoch. Bei Anlagen auf Basis von Kernenergie, Steinkohle, Braunkohle und Erdgas können mehr als 90 % der installierten Leistung als gesichert eingestuft werden [4]. Am anderen Ende der Bandbreite rangiert die Photovoltaik (PV). Die zum Zeitpunkt der zu erwartenden Höchstlast verfügbare PV-Leistung ist mit Null anzusetzen, da in Deutschland die Höchstlast typischerweise zu einem Zeitpunkt auftritt, an dem es dunkel ist. Bei Windenergie – dies gilt insbesondere für Offshore-Anlagen – stellt sich die Situation günstiger dar. Allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass zum Zeitpunkt der höchsten Last eine Windflaute herrscht (Abb. 1). Deshalb setzt etwa der Verband der Europäischen ÜNB den Anteil der gesicherten Leistung an der installierten Kapazität mit <10 % an. Deutlich günstigere Relationen bestehen bei Wasserkraft, Biomasse und Geothermie (Abb. 2). Letztgenannte Technologien haben den großen Nachteil, dass sie aus unterschiedlichen Gründen nicht beliebig skalierbar sind.

Unter Berücksichtigung der dargelegten Relationen kann für 2021 eine in Deutschland als jederzeit gesicherte Leistung der Stromerzeugungsanlagen am Strommarkt in Höhe von etwa 89 GW unterstellt werden (Abb. 3). Hinzu kommen die Kraftwerke außerhalb des Strommarktes, die im Falle von Engpässen eingesetzt werden könnten. Außerdem ist Deutschland in den europäischen Strommarkt eingebunden. Bei Engpässen kann somit auf Leistung im Ausland zurückgegriffen werden, soweit die dort verfügbaren Kapazitäten dies zulassen und die grenzüberschreitenden Übertragungsnetze keinen Engpass bilden. Allerdings sind im Winter – und das ist die relevante Periode für die Auslegung der Versorgungssicherheit – Erzeugungsknappheiten in allen europäischen Ländern zu erwarten.

In Summe kann man daher schließen, dass – Stand 2021 – Deutschland mehr als ausreichend gesicherte Leistung besitzt, um das Stromsystem zu jedem Zeitpunkt zu stabilisieren. Man könnte sogar von einem signifikanten Überangebot an gesicherter Leistung und elektrischer Energie sprechen.

Tab. 1 Leistung der Stromerzeugungsanlagen in Deutschland im Jahr 2021
EnergieträgerInstallierte
Netto-Leistung in
MW
Installierte
Netto-Leistung in
MW
Installierte
Netto-Leistung in
MW
Kernenergie8.114-8.114
Braunkohle19.9621.88618.076
Steinkohle19.9093.63316.276
Erdgas31.6783.11028.568
Mineralölprodukte4.6841.8282.856
Pumpspeicher9.804-9.804
Sonstige Energieträger*4.547-4.547
Erneuerbare Energien davon:134.018-134.018
- Windkraft onshore55.262-55.262
- Windkraft offshore7.774-7.774
- Solare Strahlungsenergie56.166-56.166
- Biomasse9.432-9.432
- Wasser**4.372-4.372
- Sonstige Energieträger***1.012-1.012
Insgesamt232.71610.457222.259
Stand: 15. November 2021 (EEG-Anlagen ausgewertet zum 30. Juni 2021)
* nicht erneuerbar: 50 % Abfall und Grubengas
** ohne Pumpspeicher
*** 50 % Abfall, Deponiegas, Klärgas, Geothermie
Von den 134,0 GW Erneuerbare-Energien-Anlagen handelt es sich bei 130,1 GW um Anlagen mit Zahlungsanspruch nach dem EEG.
Die angegebene Kraftwerksleistung außerhalb des Strommarktes verteilt sich mit 1.886 MW auf Sicherheitsbereitschaft, 6.815 MW Netzreserve
und 1.756 MW vorläufig stillgelegte Anlagen. Differenziert nach diesen Kategorien und nach Energieträgern stellt sich die Leistungsaufteilung
der Anlagen außerhalb des Strommarktes wie folgt dar:
• Anlagen in Sicherheitsbereitschaft: Braunkohle mit 1.886 MW.
• Systemrelevante Kraftwerke gem. § 13b EnWG und KVBG, die nur auf Anforderung der Übertragungsnetzbetreiber zu Zwecken der
Wahrung der Versorgungssicherheit betrieben werden (Netzreserve): Steinkohle mit 3.633 MW, Erdgas mit 1.569 MW und Mineralölprodukte
mit 1.613 MW.
• Vorläufig stillgelegte Anlagen: Erdgas mit 1.541 MW und Mineralölprodukte mit 215 MW.
In den ausgewiesenen Angaben zur Stromerzeugungsleistung am Strommarkt sind Anlagen, die zwar in den Ländern Österreich, Luxemburg,
der Schweiz oder Dänemark installiert sind, allerdings direkt ins deutsche Netz einspeisen, enthalten (insgesamt 4.390 MW). Dabei
handelt es sich um 3.605 MW Pumpspeicher- (darunter 1.294 MW in Luxemburg und 2.311 MW in Österreich), 104 MW Laufwasser-
(Schweiz) und 631 MW Speicherwasserkraftwerke (Österreich) sowie Anlagen auf Basis solarer Strahlungsenergie mit 50 MW (Dänemark).
Quelle: Monitoringreferat der Bundesnetzagentur, Kraftwerksliste mit Stand 15.11.2021

 

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