„Nationale Alleingänge“

Tabelle zum Thema: Klimapfade für Deutschland: Übersicht zur Energie- und Klimapolitik hinsichtlich des 95% Pfades, welcher Nullemissionen in fast allen Sektoren voraussetzt

Abb. 1 Der 95 %-Pfad setzt Nullemissionen in fast allen Sektoren voraus (Bildquelle: BDI)

Im Szenario „Nationale Alleingänge“ werden die Annahmen des Referenzszenarios übernommen. Ambitionierter Klimaschutz wird lediglich in einem Kerneuropa und vereinzelt in anderen Ländern verfolgt. Zentral ist in diesem Szenario, dass ein umfassender und effektiver Carbon-Leakage-Schutz unterstellt wird. Aufgrund fehlender internationaler Klimaschutzambitionen ist dies notwendig, da ohne level-playing-field eine weitgehende Abwanderung industrieller Produktion ins Ausland mit oft geringeren Standards erfolgen wird.

„Globaler Klimaschutz“

Das Szenario „Globaler Klimaschutz“ unterstellt gleichermaßen ambitionierte Klimaschutzpolitiken aller Länder. Konkret festgemacht werden diese Ambitionen an international vergleichbaren CO2-Preisniveaus. Der CO2-Preis orientiert sich am Szenario 450 ppm des WEO. Dieser steigt auf 55 €/t CO in 2030 und auf 124 €/t in 2050 an. Der Ölpreis hingegen liegt in diesem Szenario aufgrund stagnierender bzw. rückläufiger Weltnachfrage nach fossilen Brennstoffen bei real 50 US-% pro Barrel.

Klimapfade für Deutschland

Den Kern der BDI-Studie bilden fünf Klimapfade. Der Referenzpfad führt die bisher beschlossenen Maßnahmen fort und setzt sie effektiv um. Der resultierende Pfad ermöglicht u.a. die Bestimmung der zu schließenden „Lücke“ zu einem 80 %- bzw. 95 %-Reduktionsziel für 2050 im Vergleich zu 1990. Die Pfade zu 80 % und 95 % lassen sich wiederum jeweils in nationale Alleingänge und globaler Klimaschutz aufteilen. Das Referenzszenario bildet zusammen mit dem N80, G80 sowie N95 und G95 die Klimapfade für Deutschland. Die Auswahl der einzelnen technischen Maßnahmen erfolgt dabei mit wie folgt:

  • Es werden nur technische Maßnahmen eingesetzt, die bereits heute eine ausreichende technische Reife aufweisen und deren Lernkur-ven und Kostenentwicklungen damit nach heutigem Kenntnisstand abschätzbar sind.
  • Die Maßnahmen werden mit volkswirtschaftlichen CO2-Vermeidungskosten bewertet und sektorübergreifend priorisiert. Kein Sektor bekommt ex ante vorgeschrieben wie viel er zu leisten hat.
  • Es werden explizit praktische Restriktionen sowie gesellschaftliche und politische Akzeptanzbeschränkungen berücksichtigt – z. B. geringe gesellschaftliche Akzeptanz für Fleisch-verzicht, andere Suffizienzmaßnahmen oder Carbon-Capture-and-Storage (CCS).
  • Der Weg wird auf Zielerreichung in 2050 ausgerichtet; Zwischenziele für 2030, wie im Klimaschutzplan 2050 vorgeschrieben, werden explizit nicht definiert.
  • Bestehende politische Rahmenbedingungen, die eine potenzielle Limitation für die Umsetzung technologischer Maßnahmen darstellen, werden zunächst nicht berücksichtigt.

Die resultierende Merit-Order der technischen Maßnahmen ist volkswirtschaftlich auf das Jahr 2050 optimiert. Die Optimierung berücksichtigt zudem unterschiedliche Hochlaufzeiten der Technologien und ihre Marktreife. 

Kernergebnisse der Studie: Mind The Gap!

Mit einer Fortsetzung derzeitiger Anstrengungen in Form bestehender Maßnahmen, beschlossener politischer und regulatorischer Rahmenbedingungen sowie absehbarer Technologieentwicklungen („Referenzpfad“) werden bis 2050 ca. 61 % Treibhausgas(THG)-Reduktion gegen über 1990 erreicht. Es verbleibt damit eine Lücke von 19 bis 34 Prozentpunkten zu den deutschen Klimazielen.

80 %-THG-Reduktion sind technisch möglich und können in den betrachteten Szenarien unter den getroffenen Annahmen volkswirtschaftlich verkraftbar ausgestaltet werden. Die Umsetzung würde allerdings eine deutliche Verstärkung bestehender Anstrengungen, politische Umsteuerungen und ohne globalen Klimaschutzkonsens einen wirksamen Carbon-Leakage-Schutz erfordern. Die Erreichung des 80 %-Pfades ist gleichbedeutend mit einer Halbierung der Restemissionen aus dem Referenzpfad.

95 %-THG-Reduktion wären dagegen an der Grenze absehbarer technischer Machbarkeit und heutiger gesellschaftlicher Akzeptanz. Solange international keine vergleichbaren Bedingungen vorherrschen, kann dieses nationale Ziel aus Sicht des BDI daher nicht sinnvoll verfolgt werden. Für ein 95%-Ziel müssten die Rest-emissionen des 80 %-Pfades noch einmal um 75 % gesenkt werden. Eine solche Reduktion erfordert praktisch Nullemissionen für weite Teile der deutschen Volkswirtschaft (Abb. 1). Dies würde neben einem weitgehenden Verzicht auf alle fossilen Brennstoffe u.a. einen umfassenden Import erneuerbarer Kraftstoffe (340 TWh Importe), den Einsatz aktuell unpopulärer Technologien wie Carbon-Capture-and-Storage (CCS) für industrielle Prozesse und sogar eine Reduktion des Tierbestands oder Futtermittel-zusätze, vulgo „Methanpille bedeuten – eine ökonomisch erfolgreiche Umsetzung wäre nur bei ähnlich hohen Ambitionen in den meisten anderen Ländern vorstellbar.

Die kosteneffiziente Erreichung der Klimapfade würde aus heutiger Sicht in Summe Mehrinvestitionen von 1,5 bis 2,3 Bio. € bis 2050 gegenüber einem Szenario ohne verstärkten Klimaschutz erfordern [5], davon ca. 530 Mrd. €. für eine Fortschreibung bereits bestehender Anstrengungen (im Referenzpfad). Die direkten volkswirtschaftlichen Mehrkosten lägen bei etwa 470 bis 960 Mrd. € bis 2050.

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