Energieverbrauch und Preissignale

Electric Society: Abb. 1: Anteil Strom am Endenergieverbrauch der privaten Haushalte in %

Abb. 1: Anteil Strom am Endenergieverbrauch der privaten Haushalte in %

Electric Society: Abb. 2: Reale Energiepreise für die privaten Haushalte in ct/kWh (2015)

Abb. 2: Reale Energiepreise für die privaten Haushalte in ct/kWh (2015)

Leser ahnen nach der Lektüre des ersten Abschnitts, dass die weitere Umsetzung der Energiewende keine leichte Übung wird. Das kann man noch besser durch den Blick auf die Entwicklung eines Indikators verstehen, mit dessen Hilfe man die Position Deutschlands auf dem Weg in die „Electric Society“ gut belegen kann; gemeint ist der Anteil von Strom am Endenergieverbrauch (Abb. 1). Zu Beginn der 1960er Jahre lag der Anteil von Strom am Endenergieverbrauch der Haushalte bei 5 % (alte Bundesländer). Bis zur Wiedervereinigung gab es einen Anstieg auf 15 %. In den dann folgenden Jahren ist der Anteilswert nur noch geringfügig gewachsen. Seit dem Jahr 2000, also seit 20 Jahren, liegt der Indikator stabil zwischen 18 % und 20 %. Nun soll der Anteil von Strom am Endenergieverbrauch der privaten Haushalte innerhalb von nur 30 Jahren (!) von 20 % auf über 60 % gesteigert werden; wie soll das gehen?

Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten. Sicher aber ist, dass die Energiepreise eine Rolle spielen werden. Wie ist hier die Ausgangsposition? Auf dem Wärmemarkt beherrschen heute Mineralöl und Erdgas das Feld. Die Daten zeigen, dass Strom in keiner guten Wettbewerbsposition ist. Der Preisabstand zwischen den beiden marktbeherrschenden fossilen Energieträgern einerseits und Strom andererseits ist gewaltig (Abb. 2). Strom ist heute mehr als viermal so teuer wie Heizöl und Erdgas. Besonders aufschlussreich ist auch eine Analyse der längerfristigen Entwicklung. Von 2000 bis 2019 ist der Strompreis für die privaten Haushalte real um mehr als 60 % gestiegen; die realen Preise für Öl und Erdgas haben dagegen nur leicht zugenommen. Mit anderen Worten: Die Wettbewerbsposition von Strom im Energiemix der privaten Haushalte hat sich im Zuge der Energiewende sogar verschlechtert.

Der guten Ordnung halber sei darauf hingewiesen, dass die Gegenüberstellung der reinen Marktpreise nur einer ersten Orientierung dienen kann. Vergleiche, insbesondere bei den im Raumwärmebereich zum Einsatz kommenden Technologien, bedürfen sog. „Heizkostenberechnungen“. Hier spielen neben den Energiekosten auch Kapitalkosten, Wartungskosten und andere Kosten eine Rolle. Das kann zu neuen Bewertungen führen. Interessant ist insbesondere der Blick auf die wichtigste Konkurrenztechnologie zu den heute üblichen Heizsystemen auf Basis von Heizöl und Erdgas – die elektrische Wärmepumpe. Unter günstigen Bedingungen kann eine elektrische Wärmepumpe aus einer Kilowattstunde Strom drei, vier oder auch mehr Kilowattstunden Nutzwärme bereitstellen. Damit verliert der in der Abb. 2 angedeutete Preisvergleich ein wenig von seinem Schrecken. Allerdings verschwindet der Schrecken nicht völlig, denn vieles hängt hier vom Einzelfall ab. Es ist bekannt, dass die Wirtschaftlichkeit einer Wärmepumpe in zentraler Weise durch dem Dämmstandard des Hauses und die Art des Heizverteilsystems (Fußbodenheizung oder Radiatoren) bestimmt wird. Das macht die Wärmepumpe vor allem für Neubauten interessant. Bei den vielen unsanierten Gebäuden aus dem Baubestand sieht die Welt schon ganz anders aus. Diese Zusammenhänge im Umfeld einer „Electric Society“ und den vielen anderen Stromanwendungen näher zu analysieren, ist interessant, müsste sinnvollerweise aber im Rahmen eines eigenständigen Beitrags erfolgen.

Die nun vorliegende Bestandsaufname führt direkt zu der Frage, was die Politik tun sollte, um möglichst sicher zu sein, dass ihre politischen Vorgaben eingehalten werden. Eine naheliegende Möglichkeit besteht darin, Einfluss auf die Verbraucherpreise zu nehmen. Über Steuern oder andere Instrumente lassen sich Mineralöl und Erdgas verteuern. Und durch Senkung von Abgaben und Steuern bzw. der Gewährung von Zuschüssen kann man Strom billiger machen. Auf diese Weise verringert sich der Abstand der Preise zwischen den fossilen Energieträgern und Strom. Je kleiner die Differenz, umso größer wird der Anreiz für die Verbraucher, auf den Energieträger Strom umzusteigen.

Leider hat die auf den ersten Blick so vorteilhafte Verbilligung von Strom einen Pferdefuß. Und dieser wird umso größer, je weiter man sich in Richtung des Jahres 2050 bewegt. In einer Welt, in der Strom zum dominierenden Energieträger geworden ist, verwandelt sich nämlich die politische Vorgabe einer Verringerung des Energiebedarfs der privaten Haushalte unverhofft in eine Vorgabe zur Verringerung des Stromverbrauchs. Es ist offensichtlich, dass künstlich verbilligte Strompreise nicht zu diesem Ziel passen.

Hinzu kommt ein weiteres: Die Bundesregierung redet viel über den sog. ersten Grundsatz der Energiewende „Efficiency First“, d. h. Energieeinsparung soll „über allem“ stehen. Strompreise zu subventionieren und im gleichen Atemzug „Stromeinsparung“ zu einer Priorität zu machen, passt nicht so recht zusammen. Über diese Ungereimtheiten wird kaum geredet, verständlicherweise. Wer in der Tagespolitik nach einfachen und pragmatischen Lösungen suchen muss, kann sich mit „solchen Kleinigkeiten“ nicht lange aufhalten (wenn er sie denn überhaupt zu Kenntnis nimmt). Andererseits ist es eine alte Erfahrung, dass eine Politik um so überzeugender wirkt, je mehr ihre Vorgaben stimmig sind und sie sich in ein kohärentes Gesamtkonzept einfügen. Das ist hier offensichtlich nicht der Fall.

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