Bundes-Klimaschutzgesetz

Abb. 1 CO2-Emissionen durch die Verbrennung fossiler Energieträger (Mio. t CO2)

Abb. 1 CO2-Emissionen durch die Verbrennung fossiler Energieträger (Mio. t CO2)

Abb. 2 Primärenergieverbrauch Erdgas und Mineralöl (PJ)

Abb. 2 Primärenergieverbrauch Erdgas und Mineralöl (PJ)

Die Bundesregierung hat am 17.12.2019 das sog. Bundes-Klimaschutzgesetz verabschiedet [3]. Damit hat die Politik einen Schritt in Richtung der Verrechtlichung der Klimapolitik getan. CO2-Minderungsziele werden dadurch konkreter und erhalten eine sehr viel stärkere Gewichtung. Zielvorgaben zu umgehen, ist für keine Bundesregierung angenehm. Die Verantwortlichen werden es sich aber zwei Mal überlegen, wenn sie dabei gegen ein Gesetz verstoßen. So kann man das „Klimaschutzgesetz“ auch als eine Zäsur in der Energie- und Klimapolitik der Bundesregierung verstehen.

Das Bundes-Klimaschutzgesetz des Jahres 2019 sah vor, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 % gegenüber dem Basisjahr 1990 zu vermindern. Zusätzlich wurden rechtlich verbindliche Jahresziele für die Reduzierung der Treibhausgasreduktionen in den Sektoren Industrie, Gebäude, Verkehr, Landwirtschaft, Abfallwirtschaft/Sonstiges im Zeitraum 2021 bis 2030 festgelegt. Für das Jahr 2050 wurde das Ziel „Klimaneutralität“ vorgegeben.

Am 29.04.2021 erklärte das Bundesverfassungsgericht das Bundes-Klimaschutzgesetz als teilweise verfassungswidrig [4]. Das Gericht argumentiert, dass die heutige Generation in die Freiheitsrechte zukünftiger Generationen eingreife. So verschaffe das Gesetz der heutigen Generation durch eine zu üppige Zuteilung von Emissionsrechten einen unangemessenen Vor-teil. Viele sehen in dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts einen wichtigen Meilenstein, weil zum ersten Mal klargestellt wird, dass ein unzureichendes Engagement der Politik bei der Reduktion von Treibhausgasemissionen einem Grundrechtseingriff gleichkomme und damit einklagbar sei [5].

Und so ist es auch nicht weiter erstaunlich, dass das Kabinett nur wenige Wochen später, am 12.05.2021, eine Änderung des Bundes-Klimaschutzgesetzes beschlossen hat [6]. Den Vorgaben des Verfassungsgerichts entsprechend nennt das Gesetz jetzt für jedes Jahr nach 2030 bis 2045 eine Obergrenze von noch zulässigen Emissionen. Im Zuge der Novellierung des Gesetzes wurde auch das CO2-Minderungsziel für 2030 auf 65 % angehoben. Gleichzeitig wurde festgelegt, dass Klimaneutralität schon für das Jahr 2045 angestrebt werden soll.

Energiepolitik ist kompliziert. Klimapolitik ist kompliziert. Dagegen ist es einfach und auch für Laien leicht nachvollziehbar, was die CO2-Minderungsziele der Bundesregierung für die künftige Energieversorgung Deutschlands bedeuten. Es lohnt sich, diesen Zusammenhang besser zu verstehen.

Energiewirtschaftliche Perspektive 2030

Maßnahmen zur Reduktion der CO2-Emissionen, die durch die Verbrennung von Kohle, Öl und Erdgas entstehen, schlagen sich in Veränderungen der Energiebilanz nieder. Wie das geht, wollen wir in vier Schritten am Beispiel der politisch vorgegebenen Reduktion der energie-bedingten CO2-Emissionen bis 2030 um 65 % gegenüber 1990 demonstrieren:

  • Erster Schritt: Die CO2-Emissionen durch die Verbrennung fossiler Energieträger lagen in 1990 bei 986 Mio. t. Ein Reduktionsziel von 65 % gegenüber 1990 bedeutet, dass die Emissionen in 2030 ein Niveau von 345 Mio. t CO2 nicht überschreiten dürfen.
  • Zweiter Schritt: Das Emissionsniveau von 345 Mio. t CO2 begrenzt den in 2030 noch möglichen Einsatz von Braunkohle, Steinkohle, Mineralöl und Erdgas. Dabei spielt der Kohlenstoffgehalt der einzelnen Energieträger eine entscheidende Rolle. Hier ist daran zu erinnern, dass der Kohlenstoffgehalt von Braunkohle am höchsten ist. Es folgen Steinkohle, Mineralöl und Erdgas.
  • Dritter Schritt: In dem Sondierungspapier wird festgehalten, einen beschleunigten Kohle-ausstieg anzustreben, idealerweise bis 2030. Oft wird gesagt, dass dies notwendig wäre, um das Ziel 2030 zu erreichen. Das stimmt nicht. Deutschland könnte in 2030 durchaus an der Nutzung von Kohle auf einem bestimmten Niveau festhalten, etwa zur Sicherung der Stromversorgung. Die Konsequenz wäre allerdings, den Verbrauch von Mineralöl oder Erdgas deutlicher zurück-zufahren. In der folgenden Beispielrechnung wollen wir davon ausgehen, dass es der Politik gelingt, bis 2030 auf den Einsatz von Kohle zu verzichten; nicht notwendigerweise, weil diese Annahme besonders realistisch ist, sondern weil es damit möglich wird, den Gedankengang zu vereinfachen und die politischen Herausforderungen deutlicher herauszuarbeiten.
  • Vierter Schritt: Nunmehr bestimmt das vorgegebene Emissionslimit von 345 Mio. t CO2 den noch zulässigen Verbrauch von Mineralöl und Erdgas. Welche Kombinationen hier möglich sind, lässt sich auf der Basis der spezifischen CO2-Emissionswerte von Mineralöl (0,0608 Mio. t CO2/PJ) und Erdgas (0,0532 Mio. t CO2/PJ) berechnen (Basis: Daten des BMWi). Man versteht, dass eine stärkere Gewichtung von Erdgas im Energiemix vorteilhaft wäre: Die Energiewirtschaft könnte Wirtschaft und Verbrauchern relativ mehr Energie zur Verfügung stellen und trotzdem die Klimaziele einhalten. Hier ist nicht der Raum, um auf solche Analysen einzugehen. Der Einfachheit halber nutzen wir für unsere Beispielrechnung die Ergebnisse aktueller Szenario-Rechnungen, die darauf hindeuten, dass bei Mineralöl eine stärkere Reduktion als bei Erdgas zu erwarten ist. Plausibel sind für 2030 folgende Zahlen: Primärenergieverbrauch Mineralöl: 3.200 PJ und Primärenergieverbrauch Erdgas: 2.800 PJ. Interessierte Leser sind frei, an Hand von Abb. 2 eine andere Kombination des Primärenergieverbrauchs von Erdgas und Mineralöl zu wählen und dann entsprechend weiterzurechnen.

Als Gesamtergebnis kommt man zu einer Energiebilanz für Deutschland, in der durch die politischen Vorgaben bzw. politischen Absichtserklärungen nahezu alle Positionen feststehen (siehe Tab.). Braunkohle, Steinkohle und Kernenergie werden in 2030 keinen Beitrag mehr zur Energiebedarfsdeckung leisten. Der Verbrauch von Mineralöl muss bis 2030 gegenüber 2020 um 22 % und der Verbrauch von Erdgas um 11 % zurückgefahren werden. Mit diesen Zahlen erfüllt die Beispielrechnung die Vorgaben des Bundes-Klimaschutzgesetzes und wird auch den bisher bekannten Verabredungen der sich abzeichnenden Koalition von SPD, Bündnis90/Die Grünen und FDP gerecht. Offen ist allein der Beitrag der erneuerbaren Energien in 2030. Und wer die energiepolitische Debatte verfolgt, wird feststellen, dass die Frage des Ausbaus der erneuerbaren Energien zunehmend mehr und mehr in den Vordergrund geschoben wird.

Tab. Primärenergiebilanz für Deutschland (PJ)
 19902019202020302020/2030
Braunkohle3.2011.1639580- 100 %
Steinkohle2.3061.0848970- 100 %
Mineralöl5.2174.5114.0873.200- 22 %
Erdgas2.2933.2143.1362.800- 11 %
Kernenergie1.6688197200- 100 %
Erneuerbare/Sonst.2212.0142.101??
Summe14.90612.08511.899??

 

2 / 3

Ähnliche Beiträge