Berge auf dem Weg zu den Propheten

Abb. 1 Die Befragten vertrauen Handwerk und Dienstleistern in EDL-Themen und der (lokalen) Energiewirtschaft rund um Commoditylieferungen

Abb. 1 Die Befragten vertrauen Handwerk und Dienstleistern in EDL-Themen und der (lokalen) Energiewirtschaft rund um Commoditylieferungen (Quelle: EXXETA AG)

Abb. 2 Traditionelle und konservativ-etablierte Kunden überwiegen in der Region Mittelrhein

Abb. 2 Traditionelle und konservativ-etablierte Kunden überwiegen in der Region Mittelrhein (Quelle: evm AG)

Es wurde klar, dass sich ohne noch aktivere und auch unkonventionelle Maßnahmen das EDL-Wahrnehmungs-Dilemma nicht auflösen lässt. Die ländlich strukturierte Region Mittelrhein ist gekennzeichnet von einem eher traditionellen, konservativ-etablierten Milieu (Abb. 2).

Damit einher gehen bestimmte Überzeugungen und lebensphasentypische Bedürfnisse, die noch stärker maßnahmenleitend in Service und Vertrieb sein sollten. Die Analyse der Affinität dieses überwiegenden Kundensegmentes hinsichtlich ihrer Empfänglichkeit für Onlinemarketing und -vertrieb wurde gezielt untersucht. Das Ergebnis ist auch hier deutlich: Fast zwei Drittel der (Ziel-)Kunden (61 %) sind weniger empfänglich für eine derartige Ansprache.

Traditionell orientierte Kunden wertschätzen hingegen persönliche Kontakte, idealerweise gleichbleibende Ansprechpartner. Im ländlichen Raum entwickeln sich daraus teilweise jahrelange persönliche Beziehungen. Genau das soll auch erreicht werden – emotionale Bindung durch eine persönliche Beziehung. Bislang sind die evm-Standorte der 14 Kundenzentren nicht alle so frequenzstark wie erforderlich. Bei der Neuausrichtung spielen deshalb Lage und mögliche Partnerschaften eine große Rolle. Repräsentanzen anderer Branchen oder Dienstleister aus komplementären Sektoren bieten sich für derartige Standortgemeinschaften an. Unter der validierten Prämisse der mittelfristigen Notwendigkeit entsprechender Anlaufpunkte führt dies bei ungenügender Standorteignung zu einem Umzug oder einem Einzug bei einem Partner. Eine derartige Maßnahme bietet dann die Gelegenheit, moderne kommunikations- und abschlussfördernde Einrichtungskonzepte umzusetzen.

Auch das reicht allein aber nicht aus. Das Kundenzentrum der evm in Koblenz ist in einer belebten Einkaufsstraße in der Innenstadt gelegen. Dennoch kamen in der Vergangenheit nicht ausreichend (potenzielle) Kunden, um Commodityverträge abzuschließen und/oder sich über EDL zu informieren. In der Konsequenz wurde dieses Kundenzentrum umgestaltet und wird sukzessive zu einer Art EDL-Erlebniswelt.

Ergänzend dazu sind Marketing- und Vertriebsaktivitäten erforderlich und angedacht. Dabei geht es darum, das passende EDL-Kundenpotenzial in die Ausstellungs- und Verkaufsräume zu bringen. Mit hoher Beratungsqualität und fachlicher Kompetenz soll es dann gelingen, die entsprechenden Aufträge abschließen zu können. Persönliche Beziehungen lassen sich auch auf anderen – digitalen Wegen knüpfen – wie nicht nur das Beispiel von Anbietern, wie z.B. Parship.de, zeigt. Auch im geschäftlichen Kontext funktioniert das. evm hat in Kundenservice und Vertrieb den Kanal der Videoberatung getestet. Die gefühlte Nähe wirkt sich sehr positiv auf die Kundenbeziehung aus und so sind Wiederholungsanrufe nicht unüblich und Weiterempfehlungen die Regel, wenn die erste überraschend positive Erfahrung gemacht werden konnte.

Abb. 3 veranschaulicht die diesbezügliche Akzeptanz der in der EXXETA-Studie Befragten. Getrieben vom Pandemie-Push und von Vermarktungsdienstleistern mit entsprechenden Angeboten verbreitet sich das Angebot dieses Kanals branchenübergreifend zunehmend. Eine deutliche Mehrheit hat sich entweder bereits per Video beraten lassen oder kann sich einen solchen Kontakt vorstellen. Speziell für energiebezogene Themen ergibt sich aus der bisher geringen bisherigen Nutzung aufgrund mangelnder Angebote und der Bereitschaft zur Nutzung ein erhebliches Potenzial.

Der Test dieses Kanals wurde per Zufall just parallel zum Lockdown im November 2020 bei der evm gestartet. Der sich ergebende Gesundheitsschutz der Kunden und Mitarbeiter war dabei ein angenehmer Nebeneffekt. Für beide Gruppen bietet dieses spezielle Format darüber hinaus ein besonderes Erlebnis. Dementsprechend positiv beurteilen die Kunden diese Möglichkeit der Kontaktaufnahme und Beratung. Ein speziell geschultes Team ist mit Freude und Überzeugung dabei und daraus ergibt sich eine schöne Wechselwirkung. Es zeigte sich auch, dass die Einführung der Videoberatung kommunikativ entsprechend begleitet werden muss, um die Kunden über die neuen Möglichkeiten nicht im Unklaren zu lassen.

Der Test wurde im Juli 2021 wegen der Auswirkungen der Flutkatastrophe im Ahrtal temporär zurückgefahren, um alle verfügbaren Kundenberater anderweitig zugänglich zu machen. Zur Erinnerung: Die Betroffenen in der Region hatten wochenlang keine oder kaum stabile Bandbreiten zur Verfügung.

Naturkatastrophen als EDL-Weckruf für die Masse?

Die Betroffenheit Deutschlands angesichts der Flutkatastrophe und die daraus resultierende Hilfswelle für die Flutopfer ist sehr groß. Für viele Menschen im Ahrtal und in den Flutgebieten Nordrhein-Westfalens war und ist der wochenlange notgedrungene Verzicht auf die wichtigsten Ver- und Entsorgungsdienstleistungen eine neue und harte Erfahrung. Dank der Unterstützung vieler energiewirtschaftlicher Helfer ist es gemeinsam gelungen, weite Teile der Infrastruktur nach einigen Wochen zumindest notdürftig wiederherzustellen.

Die neue Bedeutung der Basisinfrastruktur für die Menschen kann im Zusammenspiel mit der klimapolitischen Aufmerksamkeit einen wichtigen Beitrag zur Verbreitung dezentraler Energie- und Mobilitätslösungen leisten. Die Rolle etablierter energiewirtschaftlicher Unternehmen sollte sich in der Wahrnehmung der Kunden durch konsequente Ausrichtung auf diese Themen und deren kommunikative Begleitung neu definieren lassen.

Dabei ist es durchaus legitim, mit Handwerk und Dienstleistern zusammenzuarbeiten, wenn dadurch der Ablauf für die Kunden nicht intransparent(er), teurer und langsamer wird. Die Verteilung der Wertschöpfung bekommt durch den Fachkräftemangel ein zusätzliches kritisches Element. Es geht im Zusammenspiel nicht mehr nur darum, wer von welcher Energiedienstleistung wie partizipiert, sondern ob es gelingt, dem Kunden mit einem begrenzten Vorlauf die Leistung überhaupt adäquat anbieten zu können.

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