Auslöser und Wirkmechanismen von Renewables Pull

Abb. 1 Schematische Darstellung von Renewables Pull durch Produktionskostenänderungen infolge einer einheitlichen Verschärfung der Klimaschutzpolitik in den Ländern A und B

Abb. 1 Schematische Darstellung von Renewables Pull durch Produktionskostenänderungen infolge einer einheitlichen Verschärfung der Klimaschutzpolitik in den Ländern A und B

Abb. 2 Schematische Darstellung von Renewables Pull durch Produktionskostenänderungen bei einseitiger Verschärfung der Klimaschutzpolitik in Land A mit Einführung eines Grenzausgleichsmechanismus

Abb. 2 Schematische Darstellung von Renewables Pull durch Produktionskostenänderungen bei einseitiger Verschärfung der Klimaschutzpolitik in Land A mit Einführung eines Grenzausgleichsmechanismus

Renewables Pull kann prinzipiell durch drei verschiedene Effekte ausgelöst werden:

  • Eine verschärfte Klimaschutzpolitik und damit einhergehende Instrumente (z. B. Einführung oder Erhöhung eines CO2-Preises) verteuern die fossil-basierte industrielle Produktion und könnten dadurch dazu führen, dass die industrielle Produktion auf Basis grüner Energieträger an guten Erneuerbaren-Standorten wettbewerbsfähig wird.
  • Eine Kostensenkung erneuerbarer Energien – beispielsweise durch technische Fortschritte oder auch öffentliche Förderung – könnte dazu führen, dass deren Nutzung in bestimmten industriellen Anwendungen gegenüber der Nutzung fossiler Energieträger wirtschaftlich wird.
  • Es kann sich auf dem Markt eine explizite Nachfrage nach „grünen“ Grundstoffen herausbilden, beispielsweise weil im Wettbewerb stehende Unternehmen ihren Kunden als Alleinstellungsmerkmal „grüne“ Produkte mit einem möglichst niedrigen CO2-Fußabdruck anbieten möchten.

Dabei ist zu bedenken, dass aufgrund der typischerweise sehr langfristigen Anlageninvestitionen gerade in der Grundstoffindustrie nicht nur die gegenwärtigen Ausprägungen der Klimaschutzpolitik, der Kosten erneuerbarer Energien sowie der Nachfragepräferenzen hinsichtlich möglicher Renewables-Pull-induzierter Verlagerungen relevant sind, sondern auch die von Unternehmen für die Zukunft erwarteten Änderungen dieser Ausprägungen.

Im Folgenden wird anhand eines einfachen Zwei-Länder-Modells der erstgenannte Fall näher erläutert, wie also eine verschärfte Klimaschutzpolitik Renewables Pull auslösen kann [I]. Dabei werden stets die folgenden Annahmen getroffen:

  • Die industrielle Produktion auf Basis fossiler Energieträger in Land A und Land B ist in der Ausgangssituation gleich teuer und ohne eine Verschärfung der Klimaschutzpolitik in beiden Ländern günstiger als eine auf erneuerbaren Energien basierende industrielle Produktion.
  • Die Grenzkosten von grünen Energieträgern sind in Land B niedriger als in Land A.
  • Die Transportkosten der industriell hergestellten Produkte zwischen beiden Ländern sind vernachlässigbar [II], nicht jedoch die Transportkosten der grünen Energieträger wie Strom, Wasserstoff oder Biomasse.
  • In der Ausgangssituation findet ein gewisser Austausch der industriellen Produktion zwischen beiden Ländern statt.

Abb. 1 verdeutlicht zunächst, wie es durch eine verschärfte Klimaschutzpolitik zu Änderungen der Produktionskosten kommen kann und wieso in der Folge die Verlagerung industrieller Produktion von Land A zu Land B in Form von Renewables Pull möglich ist. Die Abbildung zeigt dabei den Fall einer gleichen bzw. ähnlichen Verschärfung der Klimapolitik in den Ländern A und B, die zu einem Anstieg der CO2-Kosten und damit zu einer Verteuerung der Nutzung fossiler Energieträger und Feedstocks führt (siehe schraffierte Flächen).

Durch die Verteuerung der Nutzung fossiler Energieträger steigt in beiden Ländern die Wirtschaftlichkeit grüner Energieträger, infolgedessen auch die Bedeutung regionaler Differenzen hinsichtlich der Verfügbarkeit und Grenzkosten erneuerbarer Energien für den Standortfaktor „Energiekosten“ zunimmt. Diese Differenzen können sich – neben regulatorischen Unterschieden wie abweichenden Steuersätzen – zum einen aus naturräumlichen und klimatischen Unterschieden ergeben. Zum anderen können sie (zusätzlich) auf Unterschiede in den Bezugskosten erneuerbarer Energien aus Regionen mit günstigen Erzeugungskosten zurückzuführen sein.

Aufgrund günstiger naturräumlicher und klimatischer Bedingungen in Land B können dort die steigenden Kosten fossiler Energieträger durch relativ günstige Grenzkosten erneuerbarer Energien teilweise kompensiert werden. Dies ist in Land A hingegen nicht möglich. Hier bleibt die Produktion auf Basis erneuerbarer Energien auch nach der Einführung der CO2-Kosten teurer als die Produktion auf Basis fossiler Energieträger. Die Energiekosten für die Produktion steigen daher in Land A stärker an als in Land B.

Der niedrigere Anstieg der Energiekosten in Land B stärkt (ceteris paribus) dessen Wettbewerbsposition gegenüber Land A. Eine Verlagerung industrieller Produktion von Land A zu Land B kann folglich insbesondere für Unternehmen der energieintensiven Industrie – unter Abwägung anderer Standortfaktoren – attraktiv werden, sowohl für die Deckung der Nachfrage in Land B als auch für den Export nach Land A.

Die angenommenen Unterschiede zwischen zwei Standorten können sich auch innerhalb einzelner Länder ergeben. Beispielsweise könnten Standorte im deutschen Binnenland sowohl bezüglich der Grenzkosten der Windenergienutzung als auch bezüglich des Zugangs zu Seehäfen gegenüber norddeutschen Küstenstandorten benachteiligt sein.

Auch wenn in Abb. 1 angenommen wurde, dass in beiden betrachteten Ländern die Klimaschutzpolitik in ähnlichem Maße verstärkt wird, so kann Renewables Pull grundsätzlich auch dann auftreten, wenn nur ein Land eine verschärfte Klimaschutzpolitik betreibt. Wird eine solche Verschärfung z. B. in Land A umgesetzt und dort gleichzeitig ein Mechanismus für einen CO2-Grenzausgleich („Carbon Border Adjustment“, CBA) [III] implementiert, um Carbon Leakage [IV] zu vermeiden oder zu minimieren, so könnte Land A eine Verlagerung von Teilen der industriellen Produktion infolge von Renewables Pull drohen (Abb. 2).

Dies wäre der Fall, falls es sich für einzelne Unternehmen lohnen würde, eine klimaneutrale oder klimaschonende Produktion auf Basis erneuerbarer Energien in Land B aufzubauen und die dort produzierten Güter nach Land A zu exportieren. Auf diese Weise könnten Unternehmen von den relativ geringen Grenzkosten der klimaschonenden Produktion in Land B profitieren und müssten – aufgrund der CO2-armen Erzeugung – beim Export keinen (bedeutenden) Grenzausgleich zahlen.

Ein CBA trägt also durch die erwünschte Verteuerung der fossil-basierten industriellen Produktion zu einer wirtschaftlicheren Produktion auf Basis erneuerbarer Energien bei und kann dazu führen, dass zwar Verlagerungen industrieller Produktion durch Carbon Leakage verhindert, gleichzeitig jedoch Verlagerungen durch Renewables Pull induziert werden.

Auch eine einseitige Verschärfung der Klimaschutzpolitik in Land B könnte – bei dort gleichzeitig implementiertem CBA – zu einem Renewables-Pull von Land A zu Land B führen (Abb. 3). Dies könnte der Fall sein, falls für Teile der zunächst auf fossilen Energieträgern basierenden industriellen Produktion in Land A, die zuvor ihre Produkte nach Land B exportiert hat, infolge des nun für die Exporte zu zahlenden Grenzausgleichs die Erzeugung direkt in Land B auf Basis erneuerbarer Energien günstiger sein sollte.

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