Vorgabe 2: Endenergieproduktivität 2045

Endenergieproduktivität in Mrd. €2015/PJ

Abb. 1 Endenergieproduktivität in Mrd. €2015/PJ (Quelle: Kübler)

Primärenergieverbrauch erneuerbare Energien in PJ

Abb. 2 Primärenergieverbrauch erneuerbare Energien in PJ (Quelle: Kübler)

Prognosen zur gesamtwirtschaftlichen Energie-Produktivität sind ein schwieriges Geschäft. Hier spielen viele Faktoren eine Rolle, die über eine Frist bis 2045 kaum verlässlich vorherzusehen sind. In unserer Analyse behelfen wir uns, indem wir die Ankündigungen der Bundesregierung für bare Münze nehmen. Was ist damit gemeint? Die Bundesregierung hat in dem Jahreswirtschaftsbericht das Ziel bekräftigt, die Endenergieproduktivität in den Jahren 2008 bis 2050 jährlich um 2,1 % zu erhöhen. Da die tatsächliche Entwicklung der Endenergieproduktivität von 2008 bis 2022 hinter dieser Vor-gabe zurückgeblieben ist (realisiert wurde nur eine Verbesserung um 1,64 % p.a.), muss man die Aussage in dem Jahreswirtschaftsbericht so interpretieren, dass die aufgelaufenen Defizite von 2008 bis 2022 in den kommenden Jahren aufgeholt werden sollen.

Das bedeutet rechnerisch, dass die Endenergieproduktivität von 2022 bis 2045 um 2,38 % p.a. (oder absolut um rd. 72 %) gesteigert werden müsste. Ergebnis: Für das Jahr 2045 errechnet sich ein Wert für die Endenergieproduktivität in Höhe von 0,6673 Mrd. € (2015) pro Einheit Endenergie in PJ. Wer an dieser Stelle nach einer Bewertung der Ambitionen der Bundes-regierung auf dem Gebiet der Energieeffizienz- und Energieeinsparpolitik sucht, kann die geplante Entwicklung der Endenergieproduktivität von 2022 bis 2045 dem etwa gleich langen Referenzzeitraum von 2000 bis 2022 gegenüberstellen (Abb. 1). Hier kann man sofort erkennen, dass es „gewaltiger“ Anstrengungen bedarf, um die von der Bundesregierung angestrebte Verbesserung der Energieproduktivität zu erreichen. Vieles wird von dem Strukturwandel in der energieintensiven Grundstoffindustrie abhängen. Wandern Unternehmen aus diesem Bereich ins Ausland ab, erleichtert das den Weg zu einer höheren gesamt-wirtschaftlichen Energieproduktivität. Bleiben größere Produktionsvolumina im Land, ist das zwar strukturpolitisch und arbeitsmarktpolitisch von Vorteil, macht die Situation aber auf dem Feld von Energieeffizienz und Energieeinsparung noch schwieriger. Kurzum: Es ist keines-wegs sicher, ob die Bundesregierung ihr Produktivitätsziel in der Praxis erreichen wird. Insofern stehen alle Ergebnisse der folgenden Berechnung unter einem gewissen Vorbehalt. 

Szenario-Rechnung

Wer sich an der Diskussion zur Energie- und Klimapolitik beteiligen und dabei quantitativ arbeiten will, hat es normalerweise mit einem ganzen „System von Gleichungen“ und „vielen Unbekannten“ zu tun. Bei unserer Analyse ist das anders. Wir arbeiten mit „einer Gleichung“. Und wir haben es auch nur noch mit „einer Unbekannten“ zu tun. Konkret geht es um das im Jahr 2045 zur Verfügung stehende Angebot an erneuerbaren Energien. Sobald dazu eine Schätzung vorliegt, kann man auf der Basis des für 2045 unterstellten Umwandlungsfaktors (0,820) und der für 2045 vorgegebenen Endenergieproduktivität (0,6673 Mrd. € 2015 / PJ) die in 2045 maximal mögliche Produktion von Gütern und Dienstleistungen bzw. das maximal mögliche Bruttoinlandsprodukt 2045 ermitteln.
 
Was wissen wir über das Angebot von erneuerbaren Energien in 2045? Grundlage für eine erste Einschätzung bildet ein Blick auf die historische Entwicklung (Abb. 2). Für das Jahr 1990 weist die Energiebilanz für die erneuerbaren Energien einen Beitrag von 197 PJ aus (oder 1,3 % des Primärenergieverbrauchs). In 2022 betrug der Beitrag der erneuerbaren Energien 2.034 PJ (oder 17,2 % des Primärenergieverbrauchs).
 
Die Bundesregierung wird nicht müde zu versprechen, den Ausbau der erneuerbaren Energien deutlich zu beschleunigen. Bemerkenswerterweise gibt es aber keine Vorgabe, welchen Bei-trag die erneuerbaren Energien zum Primärenergieverbrauch im Jahr 2045 leisten sollen. Für unsere Berechnungen müssen wir uns mit Schätzungen behelfen. Um die Dinge übersichtlich zu halten, verzichten wir hier auf die in solchen Fällen übliche Szenarien-Vielfalt. Mit dem Ziel einer ersten Orientierung nehmen wir an, dass sich der Ausbau der erneuerbaren Energien mit einem Zuwachs von 5 % p.a. deutlich schneller als in den letzten Jahren vollzieht. Unter dieser Vorgabe steht Deutschland im Jahr 2045 ein Energieangebot von 6.247 PJ zur Verfügung (2022/2045: plus 207 %).
 
Der guten Ordnung halber sei an dieser Stelle darauf hinwiesen, dass es bei unseren Berechnungen nicht zwingend ist, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland erfolgt. Der hier unterstellte Zuwachs kann auch durch Importe realisiert werden, die entweder über das elektrische Verbundnetz erfolgen oder in Form gasförmiger oder flüssiger Energieträger, die in geeigneten Regionen aus erneuerbaren Quellen gewonnen werden. Die Frage, welche Rolle Importe von erneuerbaren Energien im Jahr 2045 spielen werden, ist nicht einfach zu beantworten. Das liegt auch an der Ausgangsposition. Nicht alle werden wissen, dass der Import von erneuerbaren Energien heute praktisch keine Rolle spielt. Im Gegenteil, Deutschland ist bei den Erneuerbaren Exporteur (Importquote 2021: minus 0,2 %). Insgesamt ist das Thema „Energieimporte 2045 “ so komplex, dass es aus Raumgründen nicht möglich ist, darauf weiter einzugehen. Schließlich ist an dieser Stelle der Hinweis wichtig, dass wir implizit unterstellen, dass der Zuwachs bei den erneuerbaren Energien begleitet wird durch einen Ausbau der entsprechenden Infrastruktur, insbesondere Netze und Speicher.

Nach diesen Ergänzungen können Leser mit Hilfe der oben genannten Definitionsgleichung nun sofort zu dem zentralen Ergebnis unserer Überlegungen kommen: Im Jahr 2045 steht gerade genug Energie zur Verfügung, um geringfügig mehr Güter und Dienstleistungen herzustellen als im Jahr 2022 (+ 4 %) (Abb. 3). Man kann das Ergebnis aber auch anders formulieren. Bleibt der Ausbau der erneuerbaren Energien hinter dem hier unterstellten Zuwachs von 2022 bis 2045 um 5 % p.a. zurück, ist die unerbittliche Konsequenz, dass die Produktion von Gütern und Dienstleistungen unter das heutige Niveau zurückfällt (soweit man an dem Ziel Treibhausgasneutralität festhalten will). Das ist keine Schwarzseherei, das ist Mathematik.

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