Vom „Klimapäckchen“ zum „Klimapaket“?

Viele bezeichneten den ersten Entwurf des Klimaschutzgesetzes vom 15.11.2019 als „Klimapäckchen“. Begründet wurde diese Bewertung mit dem als völlig unzureichend eingestuften Ambitionsniveau der Energie- und Klimapolitik. Erst die Verschärfungen im Vermittlungsauschuss haben dem Klimaschutzprogramm ein gewisses Gewicht gegeben. Wirtschaft und Verbraucher müssen jetzt für 2025 mit höheren Preisen für Erdgas und für Benzin rechnen (Tab. 4). Auch die Reduzierung der EEG-Umlage fällt jetzt etwas stärker aus und wird zu einer gewissen Entlastung der Stromverbraucher führen. Ob es allerdings schon gerechtfertigt ist, jetzt von einem wirklichen „Klimapaket“ zu sprechen, erscheint doch zweifelhaft. Wer nach einer Bewertung dieser Einschätzung sucht, findet eine erste Orientierung durch eine Antwort auf die Frage, welche Veränderungen sich aus den Verschärfungen des Klimapaketes für das Emissionsbudget des hier betrachteten Haushaltes ergeben.

Hier führen unsere Berechnungen zu den folgenden Ergebnissen: Unter den Annahmen des ersten Entwurfs des Klimaschutzgesetzes vom 15.11.2019 wären für 2025 Emissionen in Höhe von 4,59 t CO2 anzusetzen. Das bedeutet: Die Emissionen in 2025 wären 4 % niedriger als der Ausgangswert 2019 (4,78 t CO2). Die Vorgaben des Vermittlungsausschusses vom 18.12.2019 führen zu einem leicht besseren Ergebnis. In diesem Fall landet man bei einem Emissionsbudget für 2025 von 4,5 t CO2 und liegt damit um fast 6 % unter dem Niveau von 2019. Reicht diese Emissionsverbesserung aus, um jemanden zu überzeugen, der den Schutz der Erdatmosphäre als „Menschheitsaufgabe“ begreift?

Tab. 4: Rechnerische Preiseffekte des Klimaschutzprogramms für 2025

 Erster EntwurfVermittlungs-
ausschuss
Differenz
 15.11.201919.12.19 
Erdgaspreis (ct/kWh)5,956,43+ 8,1%
Benzinpreis (ct/kWh)145,04158,45+ 9,2 %
Strompreis (ct/kWh)24,9422,80- 8,6 %

Evaluierung

Jeder Haushalt ist anders. Insofern wird das Klimaschutzprogramm der Bundesregierung auch jeden Haushalt anders berühren [11]. Der Leser versteht sofort, dass die Ergebnisse dieser Analyse nichts mit der Situation eines Haushaltes zu tun haben, der in einer schlecht isolierten Wohnung wohnt, berufsbedingt mit dem Auto „fernpendeln“ muss und auch auf Flugreisen nicht verzichten kann. Gleichwohl scheint es vertretbar, auf der Basis der hier gemachten Überlegungen eine generelle Bewertung des Klimaschutzprogramms zu wagen.

Zunächst ist die Grundlinie des Programms als Einstieg für eine neue Energie- und Klima-politik sachgerecht. Die klimaschädlichen CO2-Emissionen bekommen einen Preis! Damit erfüllt man das so oft vorgebrachte Versprechen der Politik, dass die „Energiepreise die Wahrheit sagen müssen“. Preise, die die „Wahrheit sagen“, sind wichtig, weil sie die Eigen-verantwortung von Produzenten, Investoren und Verbrauchern stärken und zu einer gesamt-wirtschaftlich optimalen Allokation der knappen Ressourcen beitragen [12]. Neben dem Ein-stieg in eine „Bepreisung der CO2-Emissionen“ ist auch eine staatliche Förderung von Wirtschaft und Haushalten beim Umstieg in eine nachhaltige Energiezukunft vertretbar.

Allerdings sind hier eine rigorose Prüfung der Maßnahmen und eine selektive Auswahl von größter Bedeutung. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Preise sofort wieder anfangen „zu lügen“ und ineffiziente Lösungen begünstigen. Wer sich die Mühe macht, das Programm der Bundesregierung auf diesen Punkt hin kritisch zu überprüfen, wird schnell und ohne große Mühe auf viele fragwürdige Beispiele stoßen. Störend ist auch, dass man der im Zuge der CO2-Bepreisung möglichen Vereinfachung der Energiepolitik so wenig Rechnung getragen hat. Anstelle einer möglichen Rückführung der Vielfalt von ordnungsrechtlichen Regelungen, Vergütungen, Abgaben und Fördermaßnahmen ist es zu einer Ausweitung und damit auch zu neuer Unübersichtlichkeit gekommen.

Genaugenommen liegt aber hier nicht das wirkliche Problem des Klimaschutzprogramms. Das Problem ist die gewählte Dimensionierung. Es ist wichtig, diesen Punkt genau zu verstehen. Das gelingt am besten, wenn man den folgenden drei Überlegungen nachgeht:

  • An erster Stelle muss man sich klarmachen, dass die Bundesregierung entschieden hat, ihre gesamte Politik auf die Einschätzungen und Bewertungen der Klimaforschung zu gründen. Diese Entscheidung wird dadurch dokumentiert, dass Deutschland das „Pariser Klimaübereinkommen“ vom Dezember 2015 unterschrieben hat. Wenn man diese Unterschrift wirklich ernst nimmt (!), gibt es kaum noch Spielraum für Kompromisse und Abwägungen mit anderen Zielen. Die Politik hat den Klimaschutz zum alles dominierenden Faktor gemacht (und damit implizit zahlreiche andere Versprechungen in Frage gestellt).
     
  • An zweiter Stelle steht die Tatsache, dass es - trotz der gewaltigen Komplexität des Themas - relativ leicht ist, etwas zu den Konsequenzen der politischen Vorgaben zu sagen. In Paris hat sich die Staatengemeinde darauf verständigt, den Anstieg der weltweiten Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2°C und möglichst auf 1,5°C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Nun ist es nach Lage der Dinge so, dass man dieses Ziel nur erreichen kann, wenn die globale Energieversorgung bis 2050 „klimaneutral“ organisiert wird [13]. Und das wiederum bedeutet, dass in 2050 nur noch soviel Treibhausgase emittiert werden dürfen, wie die Natur absorbiert oder wie man der Atmosphäre durch technische Maßnahmen entnehmen kann.

An dritter Stelle gilt es zu beachten, dass die Bundesregierung nicht müde wird, immer wieder ihre globale Vorreiterrolle beim Schutz der Erdatmosphäre herauszustellen. Und so ist es nur konsequent, wenn sich die Bundesregierung auch für Deutschland zum Ziel „Klimaneutralität 2050“ bekennt. Was bedeutet das praktisch? Es bedeutet, dass Deutschland im Jahr 2050 mehr oder weniger ohne fossile Energieträger auskommen muss. Den Stellenwert dieser Vorgabe kann man nur dann richtig bewerten, wenn man sich vor Augen führt, dass die fossilen Energieträger nach wie vor das Fundament der Energieversorgung in Deutschland sind. Sie decken heute (2019) immer noch fast 80 % (!) des Primärenergiebedarfs (Braunkohle 9 %, Steinkohle 9 %, Mineralöl 35 % und Erdgas 25 %). Anders gesagt: Der vollständige Ausstieg aus Braunkohle, Steinkohle, Mineralöl und Erdgas innerhalb von nur 30 Jahren, das ist die Messlatte, an der man das Klimaschutzprogramm der Bundesregierung messen sollte.

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