Unterschiede der Studien

Prinzipiell lassen sich in den 23 untersuchten Studien drei Bilanzräume mit unterschiedlichen Systemgrenzen unterscheiden: Die Kraftstoffbereitstellung (well-to-tank, cradle-to-gate), die Kraftstoffanwendung (well-to-wheel, well-to-haul) und der gesamte Lebenszyklus (cradle-to-grave). Sie unterscheiden sich hinsichtlich der verwendeten funktionellen Einheit. Werden die Ergebnisse für die Kraftstoffbereitstellung auf den Massen- oder Energiestrom des Energieträgers bezogen, beziehen sich die Ergebnisse für die Kraftstoffanwendung auf die funktionelle Einheit km oder die Endenergie (funktionelle Einheit: MJ, GJ). Lediglich [20 – 22] nutzen Personenkilometer (Pkm) beziehungsweise Tonnenkilometer (tkm) als funktionelle Einheit, die außer der gefahrenen Strecke auch die eigentliche Funktion des Personen- oder Gütertransports enthält. Insgesamt werden bei den elf Well-to-Wheel-Analysen sechs unterschiedliche funktionelle Einheiten genutzt. Diese Vielzahl unterschiedlicher funktioneller Einheiten – zusammen mit der großen Variation der Detailtiefe und Zahl untersuchter Teilprozesse – erschwert den Vergleich der Ergebnisse zwischen den Studien erheblich.

Gemein ist allen Studien, dass die Klimawirkung in CO2-Äq. berechnet wird. Betrachten einzelne Studien ([7, 14, 16, 17, 25]) allerdings nur diese eine Wirkungskategorie, untersuchen andere Studien ([24]) bis zu elf verschiedene Wirkungskategorien. Darunter finden sich Wirkungskategorien aus den Bereichen Atmosphäre (Klimawandel, Ozonabbau), Luft (Feinstaub, photochemische Ozonbildung), Gesundheit (Humantoxizität, Kanzerogenität, ionisierende Strahlung), Umwelt (Eutrophierung, Versauerung, Ökotoxizität) und Ressourcen (Ressourcenverbrauch, Primärenergieverbrauch [31]). Über alle Publikationen hinweg können insgesamt 13 Wirkungskategorien (Tabelle 4 in [33]) identifiziert werden. Drei weitere Kategorien (L3: Stickoxidemissionen; L4: Luftverschmutzung sowie G4: Flüchtige organische Verbindungen) werden in einigen Studien ([6, 9, 15, 18]) als Wirkungskategorien verwendet, sind aber den Emissionen auf Sachbilanzebene zuzuordnen. Es ist somit festzustellen, dass – auch im Hinblick auf die relevanten Wirkungskategorien – über den Klimawandel hinaus kein Konsens in der Literatur besteht, welche Emissionen bei der Bewertung der Umweltwirkung strombasierter synthetischer Kraftstoffe von Bedeutung sind.

Bezüglich der Allokation treffen die wenigsten Publikationen eine Aussage. Lediglich [5, 11, 13] machen hierzu eine Angabe. So findet die Allokation der Umweltwirkungen in [5] anhand der Masse beziehungsweise Energie statt. In [13] werden die Umweltwirkungen anhand ökonomischer Faktoren allokiert. Nach ISO 14040 gehört die Definition des Allokationsverfahrens jedoch zur Festlegung des Untersuchungsrahmens einer LCA [28]. Da die Allokationsmethode einen großen Einfluss auf die ökologische Verträglichkeit der Kraftstoffe hat [11], gibt es in diesem Punkt dementsprechend Nachholbedarf in der Wissenschaft. Eine ausführliche Diskussion der Allokationsmethode würde somit zu einer größeren Transparenz bei der Ergebnisdeutung einer LCA beitragen.

In Bezug auf die Typologie der LCA lassen sich alle 23 Publikationen dem Typ attributional zuordnen. Weiterhin haben fünf der Publikationen einen prospektiven und 18 einen retrospektiven Charakter. Alle fünf der prospektiven LCA sind in den Jahren 2017 bis 2019 entstanden. Daraus lässt sich schließen, dass die Abschätzung der künftigen ökologischen Auswirkungen von Technologien an Bedeutung gewinnt. Der Fokus liegt dabei vor allem auf der Entwicklung des Strommixes in künftigen Energiesystemen. Wird in [15] unter anderem der EU-Mix im Jahr 2020 betrachtet, analysiert [25] die Stromzusammensetzung in Deutschland für das Jahr 2030. In [19] und [24] wird der LCA die Schweizer beziehungsweise deutsche Stromzusammensetzung für das Jahr 2050 zugrunde gelegt. Eine gesamtsystemische Modellierung des Bereitstellungssektors zur Ableitung von Zukunftsszenarien liefert hier einen wichtigen Beitrag. Ein weiterer Punkt, der einen Vergleich der Ergebnisse unterschiedlicher Studien erschwert und besonders bei prospektiven LCA eine Rolle spielt, ist die Abschätzung der technologischen Entwicklung und Größe künftiger industrieller Anlagen. Wird in einigen Studien lediglich die Stromzusammensetzung angepasst ([15, 19]), werden in anderen Publikationen zusätzlich neue Technologien ([25]) oder Effizienzsteigerungen bei bestehenden Technologien angenommen ([24]).

Den Einfluss der genannten methodischen Parameter und Rahmenbedingungen auf das Ergebnis verdeutlicht Bild 3. Dazu wurden aus den 23 Studien diejenigen ausgewählt, die sich aufgrund der Wahl des untersuchten Kraftstoffs, der Wirkungskategorie und der verwendeten funktionellen Einheit miteinander vergleichen lassen.

Hinsichtlich der Strombereitstellung ist festzustellen, dass alle Studien, die zwischen der Produktion strombasierter synthetischer Kraftstoffe aus erneuerbaren Energien und dem Strommix unterscheiden, zu dem Ergebnis gelangen, dass der Ausstoß an THG-Emissionen bei Kraftstoffen – basierend auf dem Strommix – um ein Vielfaches höher ist. Dies liegt an dem noch immer hohen Anteil fossiler Brennstoffe im Bereitstellungssektor. Außerdem unterscheiden sich die Ergebnisse der Studien, die einen Strommix für die Produktion der Kraftstoffe annehmen, stark. In [8] werden die Emissionen zu 670 g ­CO2-Äq. je km THG-Emissionen für die Produktion von Wasserstoff mit Strommix bilanziert, wohingegen in [9] lediglich ein Ausstoß von 114 g CO2-Äq. je km ausgewiesen wird. Dies ist in erster Linie auf die unterschiedlichen Emissionsfaktoren für Strom an den Produktionsstandorten Australien [8] und Ontario in Kanada [9] zurückzuführen.

Weiterhin geht aus Bild 3 hervor, dass sich die Emissionen für den Kraftstoff Methan aus PV-Strom in den Studien stark unterscheiden, obwohl die Emissionen für die Bereitstellung gering sind. Der Unterschied zwischen [11] und [16] lässt sich unter anderem dadurch erklären, dass in [16] die Fahrzeugproduktion, Fahrzeuginstandhaltung und Straßen mit in die Ökobilanz einbezogen wurden. Diese Posten machen rund 100 g CO2-Äq. je km aus. Die restliche Differenz ist durch unterschiedliche Annahmen hinsichtlich der Effizienz der Elektrolyseure, der Methanisierung, aber auch der CO2-Bereitstellung bedingt. Auch in [19] wird die Fahrzeugproduktion in die Bilanz einbezogen. Trotzdem sind die Emissionen um rund die Hälfte niedriger als in [16]. Der Grund dafür sind die unterschiedlichen Emissionen während der Betriebsphase des Fahrzeugs. Während in [19] nur 1 g CO2-Äq. je km für die Emissionen eines Methan-Fahrzeugs während des Fahrzeugbetriebs angenommen werden, sind es in [16] knapp 150 g CO2-Äq. je km. Diese Differenz liegt in der unterschiedlichen Bilanzierungsweise des für die Me­thanisierung verwendeten CO2. In [19] entstehen durch die Fixierung von CO2 während der Herstellung des Methans negative CO2-Emissionen. Diese gleichen dann die Emissionen während der Kraftstoffnutzung zu großen Teilen aus. Dagegen wird in [16] davon ausgegangen, dass die Gutschrift für die Kohlenstoffabscheidung der fossilen Industrieanlage (Zementwerk, Gaskraftwerk) angerechnet wird. Deren Erzeugnisse – Zement oder Strom – weisen dann eine verbesserte THG-Bilanz auf. Auch hier wird deutlich, welche Auswirkung die Allokation – in diesem Fall des gebundenen CO2 – auf das Ergebnis der LCA hat.

 

Bild 3. Vergleich der Ergebnisse ausgewählter retrospektiver Studien (ähnliche Annahmen für CO2-Bereitstellung) für die Klimawirksamkeit der strombasierten Kraftstoffe Wasserstoff und Methan in Abhängigkeit der Herkunft des Stroms (funktionelle Einheit: km)

Bild 3. Vergleich der Ergebnisse ausgewählter retrospektiver Studien (ähnliche Annahmen für CO2-Bereitstellung) für die Klimawirksamkeit der strombasierten Kraftstoffe Wasserstoff und Methan in Abhängigkeit der Herkunft des Stroms (funktionelle Einheit: km) (Bildquelle: FfE)

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